Nachfolgend ein Beitrag vom 15.1.2019 von Linnartz, jurisPR-FamR 1/2019 Anm. 1
Leitsatz
Der Wert der Bereicherung ist bei einer gemischten Schenkung durch Abzug der – ggf. kapitalisierten – Gegenleistung vom Steuerwert zu ermitteln. Das gilt auch dann, wenn im Einzelfall der nach dem Bewertungsgesetz ermittelte Steuerwert hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt.
A. Problemstellung
Die Entscheidung befasst sich mit der Bereicherung im Rahmen einer gemischten Schenkung, auch wenn der nach dem Bewertungsgesetz ermittelte Steuerwert hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Mit notariellem Vertrag vom 30.07.2014 übertrug der Erblasser sein Grundstück auf den späteren Erwerber und Antragsteller. Als Gegenleistung vereinbarten die Parteien eine monatliche Rente von 300 Euro, zahlbar ab dem 01.08.2014. Darüber hinaus hat der Antragsteller sich dazu verpflichtet, den Übergeber zu pflegen, zu verköstigen und alle erforderlichen Gänge (Arzt, Apotheke, Bank, Behörden etc.) vorzunehmen. In seinem Interesse behielt sich der 83-jährige Übergeber noch ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht an einer Wohnung im ersten OG vor. Bis zu seinem Tod bzw. dem Auszug der 94-jährigen Mieterin in der Erdgeschosswohnung sollte dem Übergeber deren Miete zustehen.
Im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 30.07.2014 stellte das Finanzamt einen Wert der Immobilie i.H.v. 251.212 Euro fest.
Das Finanzamt, ausgehend von einer gemischten Schenkung, setzte mit Bescheid vom 04.04.2017 Schenkungsteuer i.H.v. 44.600 Euro fest. Grundlage war der steuerpflichtige Erwerb des Antragstellers. Von dem Steuerwert des Grundstücks wurden der Kapitalwert der Nutzungs- und Duldungsauflage, der Kapitalwert der Leistungsauflage sowie die Erwerbsnebenkosten und der Freibetrag (20.000 Euro) abgezogen. Den Kapitalwert der Renten- und Pflegevereinbarung setzt das Finanzamt mit insgesamt 3.790 Euro an. Die monatliche Rente wurde dabei mit 300 Euro und die monatliche Pflege mit 458 Euro angesetzt. Berücksichtigt wurde jedoch nicht der Kapitalwert, sondern die tatsächlichen Kosten für fünf Monate bis zum Tod des Übergebers. Den Kapitalwert des Wohn- und Nießbrauchrecht (250 Euro monatlich) berücksichtigte das Finanzamt mit insgesamt 2.500 Euro. Es korrigierte insoweit den Kapitalwert nach § 14 Abs. 2 BewG mit der tatsächlichen Dauer der Rechte. Erwerbsnebenkosten wurden mit 1.568 Euro und der Freibetrag i.H.v. 20.000 Euro berücksichtigt.
Der Erwerber legte gegen den Steuerbescheid Einspruch ein. Seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hatte das Finanzamt abgelehnt. Dem gerichtlichen Antrag auf AdV hatte das Finanzgericht dann teilweise stattgegeben, da nach Ansicht des Gerichts ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die Bereicherung vom Finanzamt zutreffend ermittelt wurde.
Der Antragsteller vertrat die Meinung, die Übertragung beruhe auf einem entgeltlichen Erwerb. Es sei daher keine Schenkungsteuer festzusetzen. Er beantragte den Schenkungsteuerbescheid aufzuheben und die Schenkungsteuer in voller Höhe auszusetzen.
Der BFH hat die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts als unbegründet zurückgewiesen.
Ein angefochtener Steuerbescheid kann von der Vollziehung ganz oder teilweise ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel können vorliegen, wenn die summarische Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides ergibt, dass neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umständen gewichtige Gründe vorliegen, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtswirkungen zur Folge haben (BFH, Beschl. v. 25.04.2018 – IX B 21/18 – BFHE 260, 431).
Nach Ansicht des Gerichts bestehen über die seitens der Finanzverwaltung gewährte AdV hinaus keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des mit dem Einspruch angefochten Schenkungsteuerbescheids.
Das Finanzamt hat zutreffend die Übertragung des Grundstücks als gemischte Schenkung gewertet. Jede freigiebige Zuwendung unter Lebenden unterliegt der Erbschaft- und Schenkungsteuer, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
Dazu muss die Zuwendung in subjektiver Hinsicht freigebig erfolgen. In Fällen unausgewogener Verträge reicht regelmäßig das Bewusstsein des einseitig benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistung aus. Dabei kommt es nicht auf die genaue Kenntnis über den Wertunterschied an.
In den Fällen, in denen bei einer Zuwendung der Wert der Gegenleistung hinter dem Wert der Zuwendung zurückbleibt, kann eine freigiebige Zuwendung vorliegen. Besteht eine auffallende Diskrepanz zwischen Leistung und Gegenleistung, begründet dies die widerlegbare Vermutung, dass die Zuwendung im Umfang der Bereicherung unentgeltlich war. Es besteht dann die Vermutung dafür, dass dem Zuwendenden auch der Wertunterschied im Umfang der Bereicherung bekannt war. Von einem relevanten Unterschied ist auszugehen, wenn die tatsächliche Gegenleistung die sonst übliche angemessene Gegenleistung um 20% bis 25% unterschreitet.
Im vorliegenden Fall lag die Gegenleistung bei unter 30%: Grundstückswert (251.212 Euro) abzüglich Rentenverpflichtung, (19.411 Euro), Pflegeverpflichtung (29.656 Euro), Wohnrecht (16.176 Euro) und Nießbrauch (8.799 Euro) – ohne Berücksichtigung von § 14 Abs. 2 BewG. Das Risiko einer erhöhten Bedürftigkeit des Übergebers, woraus sich ein erhöhter Pflegeaufwand ergibt, ist nicht in die Pflegeleistung mit einzubeziehen.
Bei der Ermittlung der Gegenleistung war der Kapitalwert der Nutzungsauflage nach § 14 Abs. 2 BewG zu kürzen. Dazu bedurfte es wegen § 14 Abs. 2 Satz 3 BewG keines gesonderten Antrages.
Im konkreten Fall war allerdings nicht über die Kürzung einer Leistungsauflage nach § 14 Abs. 2 BewG zu entscheiden. Schließlich hatte nur der Antragsteller, nicht aber auch das Finanzamt Beschwerde eingelegt. Eine Schlechterstellung des Antragstellers ist wegen des Grundsatzes der reformatio in peius nicht möglich.
C. Kontext der Entscheidung
Nach § 69 FGO ist AdV zu gewähren, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Mit dieser Entscheidung bestätigt der BFH seine Rechtsprechung, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe treten, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (BFH, Beschl. v. 25.04.2018 – IX B 21/18 Rn. 13 – BFHE 260, 431 m.w.N.).
Schenkungsteuer kann anfallen, wenn die Leistung eine Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden bewirkt und objektiv unentgeltlich ist (BFH, Urt. v. 18.07.2013 – II R 37/11 – BStBl II, 2013, 934 m.w.N.).
Eine relevante Bereicherung – eine freigiebige Zuwendung – ist anzunehmen, wenn dem Zuwendenden der Wertunterschied zwischen Zuwendung und Gegenleistung bekannt und bewusst war (BFH, Urt. v. 18.10.2011 – X ZR 45/10 – NJW 2012, 605). Unterschreitet die tatsächliche Gegenleistung die sonst üblich angemessene Gegenleistung um 20% des 25%, ist eine gemischte Schenkung anzunehmen (Geck in: Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 7 ErbStG Rn. 51.1).
Mit dieser Entscheidung bestätigt der BFH erstmals die Ansicht der Literatur und Finanzverwaltung, dass bei einer gemischten Schenkung keine gesonderte Berechnung des Verhältnisses zwischen dem Verkehrswert des zugewandten Gegenstandes und den Wert der Gegenleistung erforderlich ist (Abschnitt R.E 7.4 der Erbschaftsteuerrichtlinien; Geck, a.a.O., Rn. 67; Meinecke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 17. Aufl., § 7 Rn. 37; Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 7 Rn. 289; Esskandari in: v. Oertzen/Loose, ErbStG, § 7 Rn. 71 f.).
D. Auswirkungen für die Praxis
Für die Praxis ist jetzt durch den BFH klargestellt, dass bei einer gemischten Schenkung keine gesonderte Berechnung des Verhältnisses zwischen Verkehrswert des zugewandten Gegenstandes und dem Wert der Gegenleistung erforderlich ist (Verhältnisrechnung). Der BFH hat somit die sog. Trennungstheorie aufgegeben.
Bei der steuerlichen Planung und Gestaltung von gemischten Schenkungen ist zu beachten, dass durch eine Kürzung der Kapitalwert von Nutzungsauflagen nach § 14 Abs. 2 BewG aufgrund vorzeitigem Versterbens des Erblassers sich die steuerliche Belastung erhöhen kann.
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