Nachfolgend ein Beitrag vom 12.4.2016 von Schmid, jurisPR-FamR 8/2016 Anm. 7

Leitsatz

Eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für ein Familienheim scheidet aus, wenn der Erwerber von vornherein gehindert ist, die Wohnung in dem von Todes wegen erworbenen Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke zu nutzen und deshalb auch tatsächlich nicht einzieht.

A. Problemstellung

Der BFH beschäftigt sich im vorliegenden Fall mit der Frage, ob die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für Familienheime in Betracht kommt, wenn der Erbe von vornherein gehindert ist, das Objekt für eigene Wohnzwecke zu nutzen und deshalb auch tatsächlich nicht einzieht.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger und Revisionskläger hat als Alleinerbe seines im Jahr 2009 verstorbenen Vaters ein von diesem bis zu seinem Ableben selbst genutztes Einfamilienhaus geerbt. Im Jahr 2010 wurde das Haus durch den Kläger renoviert und vermietet. Der Kläger hatte bereits im Jahr 2006 im Rahmen seiner Berufung zum Professor eine Residenzpflicht in einem 500 km entfernten Dienstort vereinbart und wohnte dort zusammen mit seiner Ehefrau in einem von den Eheleuten errichteten Haus.
Das Finanzamt versagte die Steuerbefreiung für das nachlassgegenständliche Einfamilienhaus, da der Kläger dieses nicht selber nutze und dessen berufliche Tätigkeit keinen zwingenden Grund hierfür darstelle. Einspruch und Klage zum Finanzgericht blieben erfolglos.
Die Revision, mit der der Kläger eine Verletzung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG rügt, blieb ohne Erfolg:
Zunächst führt der BFH aus, dass die Gewährung der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG nach dem Gesetzeswortlaut unter anderem voraussetze, dass die Wohnung in einem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück i.S.d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 BewG „beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist“. Dies sei der Fall, wenn der Erwerber die Absicht habe, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und diese Absicht auch tatsächlich umsetze (vgl. Kobor in: Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl., § 13 Rn. 42). Dies wiederum erfordere, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt (vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13 Rn. 70; Viskorf in: Viskorf/ Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 13 ErbStG Rn. 73; Geck in: Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13 ErbStG Rn. 40.7; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 16. Aufl., § 13 Rn. 28). Der BFH stellt in diesem Zusammenhang klar, dass eine bloße Widmung zur Selbstnutzung nicht ausreiche, was insbesondere dann gelte, wenn der Erwerber (in der Erbschaftsteuererklärung) angebe, er sei aus zwingenden Gründen an einer beabsichtigen Selbstnutzung gehindert.
Der BFH führt weiter aus, dass hieran auch die vorgetragenen zwingenden Gründe für die Hinderung an der Selbstnutzung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG nichts änderten (vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13 Rn. 70; Viskorf in: Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, § 13 ErbStG Rn. 73; Geck in: Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13 ErbStG Rn. 40.7; Halaczinsky, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2013, 265, 270; a.A. R E 13.4 VII 4 2. HS. der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011). Denn § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG regele den Fall der Aufgabe der Selbstnutzung zu eigen Wohnzwecken, nachdem die Immobilie zu einer solchen bestimmt wurde. Danach würde ausnahmsweise von einem rückwirkenden Wegfall der Steuerbefreiung abgesehen, wenn der Erwerber aus zwingenden Gründen am weiteren Bewohnen des Familienheims gehindert sei. Nehme der Erwerber die Selbstnutzung eines Hauses zu eigenen Wohnzwecken überhaupt nicht auf, sei das von Todes wegen erworbene Haus (schon) kein Familienheim im Sinne der Regelung.
Diese Ansicht stütze sich zum einen auf die Gesetzesbegründung, wonach es der Schutz des familiären Lebensraums gebiete, die Steuerbefreiung davon abhängig zu machen, dass das Kind das Familienheim auch tatsächlich selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzt (BT-Drs. 16/11107, S. 9). Zum anderen bestünden bezüglich der in § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG vorgesehenen Steuerbefreiung verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. BFH, Beschl. v. 27.09.2012 – II R 9/11 Rn. 150 – BFHE 238, 241 = BStBl II 2012, 899; BFH, Urt. v. 18.07.2013 – II R 35/11 – BFHE 242, 153 = BStBl II 2013, 1051, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG, und in BFHE 245, 374 = BStBl II 2014, 806 Rn. 26, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG, m.w.N.). Eine Anwendung dieser Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus sei jedenfalls verfassungsrechtlich noch bedenklicher und somit ausgeschlossen.

C. Kontext der Entscheidung

Im Lichte der grundsätzlich einschränkenden Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 a bis c ErbStG durch den BFH im Rahmen der Steuerbefreiungsvorschriften für Familienheime ist die Entscheidung nicht überraschend (BFH, Urt. v. 18.07.2013 – II R 35/11 – BStBl II 2013, 1051 und BFH, Urt. v. 03.06.2014 – II R 45/12 – BStBl II 2014, 806). Der BFH arbeitet dabei die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals des Bestimmens i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG heraus, für deren Bejahung die bloße Einzugsabsicht oder Widmung zur Selbstnutzung nicht ausreicht, wenn der Erwerber dann nicht tatsächlich in die Wohnung einzieht. Auch § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG helfe in diesen Fällen nicht, denn dieser regele den Fall der Aufgabe der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken, nachdem die Immobilie zu einer solchen bestimmt (erfordert tatsächlichen Einzug) wurde. Dies stehe im Widerspruch zu den Erbschaftsteuerrichtlinien, die im Zuge der Beurteilung einer für das Steuerprivileg unschädlichen zwingenden Verhinderung nicht zwischen der Aufnahme und Fortsetzung der Selbstnutzung unterscheiden (R E 13.4 VII 4 2. HS. der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Fall veranschaulicht die praktischen Grenzen des generationenübergreifenden Familienheimprivilegs i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. In vielen Fällen wird ein Erbe aus beruflichen und/oder familiären Gründen schlichtweg an einem unverzüglichen Einzug in das ererbte Elternhaus gehindert sein, zumal der Zeitpunkt des Erbfalls in der Regel nicht feststeht, also eine Planung im Vorfeld nicht möglich ist. Gleiches gilt für einen etwaigen Verstoß gegen die Behaltensfrist i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG, der etwa bei einer beruflichen Versetzung grundsätzlich zu bejahen ist (R E 13.4 VII 4 2. HS. der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011). Von dem Eingreifen des Privilegs sollte jedenfalls im Zuge einer generationenübergreifenden Vermögensnachfolgeübertragung und -gestaltung nicht in jedem Falle ausgegangen werden.