Nachfolgend ein Beitrag vom 6.6.2017 von Adamus, jurisPR-FamR 11/2017 Anm. 1

Orientierungssätze

1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Maßgabe der §§ 114 ff. ZPO im Zusammenhang mit dem Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens kommt nicht in Betracht.
2. Für den Schuldner sieht § 4a InsO eine Stundung der Verfahrenskosten nur für den Fall vor, dass er einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt und dieser nicht offensichtlich zu versagen ist. Aus der notwendigen Verbindung mit der Restschuldbefreiung folgt, dass für einen Erben im Nachlassinsolvenzverfahren eine Kostenhilfe im Wege der Stundung nicht in Betracht kommt.
3. Es kann nicht auf die Regelungen der Prozesskostenhilfe nach den §§ 114 ff. ZPO zurückgegriffen werden, da in Bezug auf die Durchführung eines Insolvenzverfahrens – und damit auch eines Nachlassinsolvenzverfahrens – ein grundsätzliches Spezialitätsverhältnis von § 4a InsO zu den §§ 114 ff. ZPO besteht.

A. Problemstellung

Kann für die Durchführung des Nachlassinsolvenzverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt werden?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Nachlasspflegerin beantragte für die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens Prozesskostenhilfe, weil der Nachlass überschuldet ist. Das Amtsgericht hatte den Antrag zurückgewiesen.
Das LG Coburg hat die Beschwerde der Nachlasspflegerin zurückgewiesen.
Für den Schuldner sehe § 4a InsO eine Stundung der Verfahrenskosten nur für den Fall vor, dass er einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt habe und dieser nicht offensichtlich zu versagen sei. Aus der notwendigen Verbindung mit der Restschuldbefreiung folge, dass für einen Erben im Nachlassinsolvenzverfahren eine Kostenhilfe im Wege der Stundung nicht in Betracht komme. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Maßgabe der §§ 114 ff. ZPO im Zusammenhang mit dem Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens komme nicht in Betracht, da in Bezug auf die Durchführung eines Insolvenzverfahrens ‒ und damit auch eines Nachlassinsolvenzverfahrens ‒ ein grundsätzliches Spezialitätsverhältnis von § 4a InsO zu den §§ 114 ff. ZPO bestehe, welches die Anwendung der Prozesskostenhilfevorschriften ausschließe.

C. Kontext der Entscheidung

Für den Schuldner sieht § 4a InsO eine Stundung der Verfahrenskosten nur für den Fall vor, dass er einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt und dieser nicht offensichtlich zu versagen ist. Eine Restschuldbefreiung ist für einen Erben im Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff. InsO) nicht vorgesehen. Der Nachlass ist zwar insolvenzfähig aber nicht rechtsfähig i.S.v. § 11 InsO; der Nachlass ist nicht Schuldner. Ohne möglichen Antrag auf Restschuldbefreiung sieht die InsO eine Kostenhilfe im Wege der Stundung aber nicht vor.
Es kann daher nach h.M. aus rechtlichen Gründen nicht auf die Regelungen der Prozesskostenhilfe nach den § 4 InsO, §§ 114 ff. ZPO zurückgegriffen werden, weil ein „grundsätzliches Spezialitätsverhältnis“ von § 4a InsO zu den §§ 114 ff. ZPO besteht. Vor Einführung des § 4a InsO (Gesetz vom 26.10.2001) konnte zwar grundsätzlich Prozesskostenhilfe beantragt werden; es war jedoch gängige Rechtsprechung diese zu versagen, wenn eine kostendeckende Masse nicht vorhanden war (BGH, Beschl. v. 16.03.2000 – IX ZB 2/00 – NJW 2000, 1869). Insoweit ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, öffentliche Mittel für die Durchführung des Verfahrens bereitzustellen.
Für den hier vorliegenden Sachverhalt führt dies dazu, dass Prozesskostenhilfe für den Erben im Nachlassinsolvenzverfahren grundsätzlich ausscheidet. Die Deckung der Verfahrenskosten kann nicht aus der Staatskasse im Wege der Prozesskostenhilfe finanziert werden (so auch LG Kassel, Beschl. v. 25.06.2014 – 3 T 170/14 – NZI 2014, 697 m.w.N.). Frühere Entscheidungen (LG Göttingen, Beschl. v. 10.10.2000 – 10 T 128/00 – ZInsO 2000, 619; LG Fulda, Beschl. v. 13.10.2006 – 3 T 266/06) haben dem Erben zum Zwecke der Erreichung des Zurückweisungsbeschlusses für das Nachlassinsolvenzverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Entscheidungen setzen sich jedoch nicht hinreichend mit dem Verhältnis zwischen § 4 InsO und § 4a InsO auseinander. Die Frage der Mutwilligkeit i.S.d. § 114 ZPO wird nicht angesprochen. Der Erbe, der die Abweisung eines Antrages anstrebt (auch wenn damit die Beschränkung der Haftung erreicht werden soll), handelt mutwillig (so auch LG Berlin, Beschl. v. 17.05.2004 – 86 T 312/04 – ZInsO 2004, 626; LG Neuruppin, Beschl. v. 03.08.2004 – 5 T 219/04 – ZInsO 2004, 1090).

D. Auswirkungen für die Praxis

Nach h.M. kann für ein Nachlassinsolvenzverfahren, mit dem die Haftungsbeschränkung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass erreicht werden soll, keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Anderes gilt in der Eigeninsolvenz des Erben.
Ist der Nachlass überschuldet, ist der Erbe auf die Dürftigkeitseinrede der §§ 1990, 1991 BGB zu verweisen. Der Nachweis der Überschuldung/Dürftigkeit muss dann anders als durch den Einstellungsbeschluss des Insolvenzgerichts geführt werden.