Nachfolgend ein Beitrag vom 20.6.2016 von Podewils, jurisPR-SteuerR 25/2016 Anm. 6
Orientierungssätze zur Anmerkung
1. Gewährt der Lebenspartner einer Wohnhauseigentümerin dieser ein ausdrücklich zinsloses Darlehen zur Finanzierung notwendiger Sanierungsmaßnahmen an der gemeinsam bewohnten Wohnung, so stellt die zinslose Gewährung des Darlehens eine freigebige Zuwendung dar, wenn vom Darlehensempfänger auch keine anderweitige Gegenleistung für die Kapitalüberlassung zu entrichten ist.
2. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerbefreit ist. Die Bereicherung wird im Ergebnis nach den Grundsätzen ermittelt, die gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für die Bestimmung der Bereicherung im Fall des Erwerbes von Todes wegen gelten.
3. Die Nutzungsüberlassung an den Wohnräumen an den Darlehensgeber führt im Streitfall nicht zur Annahme einer Gegenleistung im Sinne einer die freigebige Zuwendung ausschließenden Entgeltlichkeit.
A. Problemstellung
Einer der wesentlichen materiellen Vorteile der Ehe besteht – unter anderem – in der deutlich günstigeren Behandlung in erbschafts- und schenkungssteuerlicher Hinsicht. Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind die Partner gemäß § 15 Abs. 1 ErbStG Steuerklasse III zuzuordnen und verfügen nach § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG lediglich über einen Freibetrag von 20.000 Euro. Den meisten Steuerpflichtigen dürfte indes nicht bekannt sein, dass auch eine bloße Darlehensgewährung schenkungssteuerpflichtig sein kann.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin bewohnte ihr Wohnhaus gemeinsam mit ihrem Lebenspartner. Als Sanierungs- und Umbaumaßnahmen erforderlich wurden, beteiligte sich der Lebenspartner, indem er der Klägerin ein zinsloses Darlehen gewährte, das im Februar 2008 zunächst in Höhe von 150.000 Euro ausgezahlt wurde. Der hierüber zwischen der Klägerin und ihrem Lebenspartner abgeschlossene schriftliche Darlehensvertrag sah eine ratenweise Rückzahlung des Kredits ab September 2020 in sechs gleichen Jahresraten vor.
Als das beklagte Finanzamt in Folge von Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangte, setzte es Schenkungsteuer fest, da es sich bei dem Zinsvorteil aus der unentgeltlichen Darlehensgewährung um eine freigebige Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG handele. Zur Berechnung der Höhe der steuerpflichtigen Zuwendung legte das Finanzamt einen Zinssatz von 5,5% gemäß § 15 Abs. 1 BewG zugrunde. Die aufgrund der ratenweise vereinbarten Tilgung unterschiedlichen Darlehensteilbeträge berücksichtigte das Finanzamt mit den hierfür jeweils einschlägigen Koeffizienten gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG i.v.m. mit Anlage 9a zum BewG.
Gegen diesen Steuerbescheid wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren im Klageweg. Die Darlehensgewährung sei nicht unentgeltlich erfolgt, weil das Wohnhaus in erheblichem Umfang sanierungsbedürftig gewesen sei und der Lebenspartner das Haus mitgenutzt habe. Schließlich habe er auch bei der Gestaltung des Umbaus, insbesondere des Dachgeschosses des Wohnhauses mitwirken dürfen.
Das FG München wies die Klage ab. Es führte zur Begründung aus:
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Dies setzt objektiv voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt, und in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit (vgl. etwa BFH, Urt. v. 30.01.2013 – II R 6/12 – BStBl II 2013, 930; BFH, Urt. v. 16.05.2013 – II R 21/11 – BStBl II 2013, 922; dazu Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 41/2013 Anm. 6). Hier bestand die Bereicherung der Klägerin in dem mit der Gewährung eines Darlehens verbundenen Nutzungsvorteil, während auf Seiten des Lebenspartners spiegelbildlich eine Vermögensminderung vorlag, da er auf die Nutzungsmöglichkeit der Darlehensvaluta verzichtet hatte.
Entscheidend war nun, ob das Nutzungs- und Gestaltungsrecht des Lebenspartners die Gegenleistung für die Zinsfreiheit des Darlehens gewesen war. Dies hat das FG München verneint. Zwar könne die Einräumung eines Nutzungsrechtes an einem beweglichen oder unbeweglichen Gegenstand durchaus eine Gegenleistung darstellen, die die für eine freigebige Zuwendung erforderliche Unentgeltlichkeit ausschließen könne. Allerdings sah der schriftliche Darlehensvertrag ausdrücklich die Zinslosigkeit der Darlehensgewährung vor. Im Übrigen sei das gemeinsame Wohnen der Klägerin mit ihrem Lebenspartner in erster Linie Ausdruck ihres lebenspartnerschaftlichen Verhältnisses.
Grundlage des Zusammenlebens sei regelmäßig die Entscheidung zugunsten dieser Lebensweise, nicht hingegen die Gewährung eines zinslosen Darlehens. Die Darlehensgewährung sei zwar ggf. durch das lebenspartnerschaftliche Verhältnis und den Umstand des gemeinsamen Wohnens motiviert gewesen; diese Motivation führe jedoch noch nicht zur Entgeltlichkeit.
Schließend hielt das FG Münster die Festsetzung der Schenkungsteuer auch der Höhe nach für zutreffend, da der Zinssatz von 5,5% der von § 15 Abs. 1 BewG vorgesehen Regelfall ist und jedenfalls im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Darlehensgewährung der übliche Bankzins für Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindungsfrist ebenfalls über 5% gelegen habe.
C. Kontext der Entscheidung
Nach gefestigter Rechtsprechung liegt in der zinslosen Gewährung eines Darlehens bei Fehlen einer sonstigen Gegenleistung eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wobei Gegenstand der Zuwendung der kapitalisierte Nutzungsvorteil ist (BFH, Urt. v. 27.10.2010 – II R 37/09 – BStBl II 2011, 134; dazu Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 10/2011 Anm. 5; BFH, Urt. v. 30.03.1994 – II R 105/93 – BFH/NV 1995, 70; BFH, Beschl. v. 20.09.2010 – II B 7/10 – BFH/NV 2010, 2280). Dabei steht der Annahme einer freigebigen Zuwendung nicht entgegen, dass das zinslose Darlehen im Zusammenhang mit einer bestehenden Lebensgemeinschaft gewährt wird (vgl. BFH, Urt. v. 27.11.2013 – II R 25/12 – HFR 2014, 328; dazu Podewils/Hellinger, jurisPR-SteuerR 18/2014 Anm. 4).
D. Auswirkungen für die Praxis
Vor diesem Hintergrund war die Entscheidung des FG München nicht anders zu erwarten, wenngleich man die Billigkeit des Ergebnisses durchaus bezweifeln kann.
In der Gestaltungspraxis ist – abhängig von der steuerlichen Situation im Einzelfall – zu prüfen, ob an Stelle einer zinslosen Darlehensgewährung die Vereinbarung einer Verzinsung nicht insgesamt günstiger ist. Eine solche Vereinbarung müsste dann natürlich schriftlich fixiert und tatsächlich durchgeführt werden.
In einer zwar nicht gänzlich zinslosen, aber nur niedrig verzinsten Darlehensgewährung läge ebenfalls eine Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wobei sich der Nutzungsvorteil dann regelmäßig aus der Differenz des vereinbarten Zinssatzes zu den 5,5% gemäß § 15 Abs. 1 BewG errechnet (vgl. BFH, Urt. v. 27.10.2010 – II R 37/09 – BStBl II 2011, 134; Hartmann, ErbStB 2012, 72, 73; Böing, ErbStB 2012, 293, 295).
Wenn – wie vorliegend – der Darlehensgeber im Wohnhaus der Darlehensnehmerin wohnt, sollte das Nutzungsrecht ausdrücklich als Gegenleistung in den Darlehensvertrag aufgenommen oder ggf. ein separater Mietvertrag geschlossen werden.
In der Praxis dürften den Betroffenen die möglichen steuerlichen Folgen einer zinslosen Darlehensgewährung regelmäßig gar nicht bewusst sein. Umgekehrt ist das tatsächliche Aufgriffsrisiko relativ gering. Die Finanzverwaltung wird auf entsprechende Sachverhalte typischerweise nur im Zusammenhang mit Betriebs- und Außenprüfungen stoßen.