Nachfolgend ein Beitrag vom 18.1.2016 von Steinhauff, jurisPR-SteuerR 3/2016 Anm. 1

Leitsätze

1. Feststellungsbescheide müssen ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für wen sie inhaltlich bestimmt sind.
2. Die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes erfolgt gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung für die Miterben. Inhaltsadressaten der Feststellung sind die Miterben, für deren Besteuerung der Grundbesitzwert von Bedeutung ist.
3. Dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Miterben muss klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten.

A. Problemstellung

Der BFH bestätigt mit der Entscheidung sowohl die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, unter denen die Nichtigkeit eines Steuerbescheids/Feststellungsbescheids gegeben ist, als auch zur Beteiligtenstellung der Miterben bei einer einheitlichen und gesonderten Feststellung des Bedarfswerts für Zwecke der Erbschaftsteuer. Nicht die Erbengemeinschaft, sondern die Miterben sind Inhaltsadressaten des Feststellungsbescheids, weil die darin getroffenen Feststellungen nicht für die Besteuerung der Erbengemeinschaft selbst, sondern bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen die von den Feststellungen betroffenen Miterben von Bedeutung sind. Inhaltsadressaten der gesonderten Feststellung bleiben die Miterben unbeschadet dessen, dass die Feststellung gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung für die Miterben erfolgt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Kläger sind die Ehefrau (Klägerin zu 2) und die Söhne (Kläger zu 3 und 4) des im Jahr 2009 verstorbenen Erblassers sowie die aus den Erben bestehende Erbengemeinschaft (Klägerin zu 1). Zum Nachlass gehörten mehrere Grundstücke. Die am 13.05.2011 beim beklagten Finanzamt eingereichte Erklärung zur Feststellung des Bedarfswertes für eines dieser Grundstücke unterzeichnete nur die Klägerin zu 2 als Erwerberin.
Mit Bescheid vom 26.05.2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer bewertete das Finanzamt das Grundstück als Ein- oder Zweifamilienhaus im Sachwertverfahren, stellte den Grundbesitzwert gesondert und einheitlich auf 285.418 Euro fest und rechnete ihn der Klägerin zu 1 zu. Den Bescheid gab das Finanzamt der Klägerin zu 2 als Empfangsbevollmächtigte für die „O.-Erbengemeinschaft“ bekannt. Der Bescheid enthält den Zusatz: „Der Bescheid ergeht mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft und alle Miterben.“
Den Einspruch der Kläger wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 02.11.2011 als unbegründet zurück. Als Einspruchsführer bezeichnete das Finanzamt die „Erbengemeinschaft nach H.O., bestehend aus W.O., S.O. und R.O., …“.
Das FG Münster (Urt. v. 29.05.2013 – 3 K 4298/11 F – EFG 2013, 1634) hat der Klage stattgegeben.
Der BFH wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Das Finanzgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Feststellungsbescheid vom 26.05.2011 den Inhaltsadressaten nicht hinreichend genau bezeichne und daher nichtig sei. Der BFH führte zur Begründung aus:
Weder aus dem Adressfeld noch aus der Bezeichnung „O-Erbengemeinschaft“ noch aus den weiteren Erläuterungen des Bescheids lasse sich entnehmen, aus welchen Mitgliedern die Erbengemeinschaft bestehe. Der Bescheid enthalte zwar den Hinweis, dass er mit Wirkung für und gegen alle Mitglieder der Erbengemeinschaft ergehe. Namentlich bezeichnet seien die Miterben jedoch nicht.
Die Klägerin zu 1 als Erbengemeinschaft und die Kläger zu 2 bis 4 hätten als Miterben jeweils gesondert gegen den Bescheid vom 26.05.2011 vorgehen können. Dies folge aus dem Anschein der Rechtswirksamkeit des Bescheids, der nach seinem Wortlaut ausdrücklich mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft und alle Miterben ergangen sei. Dagegen könnten sich alle Betroffenen mit dem Einspruch und der Klage wenden, um den Anschein der Rechtswirksamkeit zu beseitigen (vgl. Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 40 FGO Rn. 9).
Ein Verwaltungsakt sei nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sei (§ 125 Abs. 1 AO). Diese Voraussetzung sei erfüllt, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sei (§ 119 Abs. 1 AO). Die Angabe des Inhaltsadressaten sei konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsaktes, denn es müsse unzweifelhaft feststehen, gegenüber wem der Einzelfall geregelt werden solle.
Inhaltsadressat eines Verwaltungsaktes sei derjenige, gegen den er sich richte, für den er bestimmt sei und gegen den er wirken solle (Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO Rn. 18). Bei Steuerbescheiden sei dies der Steuerschuldner, bei Feststellungsbescheiden der Feststellungsbeteiligte, gegen den sich die Feststellungen richteten (vgl. die §§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Feststellungsbescheide müssten ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für wen sie inhaltlich bestimmt seien. Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG seien Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung seien. Beim Erwerb durch eine Erbengemeinschaft erfolge die Zurechnung in Vertretung der Miterben auf die Erbengemeinschaft (§ 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 HS. 2 BewG).
Inhaltsadressat der Feststellung des Grundbesitzwertes (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG) sei der Erbe, für dessen Besteuerung die Feststellung des Grundbesitzwertes von Bedeutung sei. § 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 HS. 2 BewG regele den Fall der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Erben. Die Regelung solle bewirken, dass der Feststellungsbescheid für die durch die Erbengemeinschaft vertretenen Miterben Bindungswirkung hinsichtlich der Art der wirtschaftlichen Einheit und des festgestellten Wertes habe sowie darüber, dass die wirtschaftliche Einheit allen Miterben zuzurechnen sei (BT-Drs. 16/7918, S. 40). Damit werde die Erbengemeinschaft jedoch nicht zum Inhaltsadressaten des Feststellungsbescheids, denn die zu treffenden Feststellungen seien nicht für die Besteuerung der Erbengemeinschaft selbst, sondern bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen die von den Feststellungen betroffenen Miterben von Bedeutung. Inhaltsadressaten der gesonderten Feststellung blieben die Miterben auch, wenn die Feststellung gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung für die Miterben erfolge.
Die Miterben seien als Steuerschuldner der Erbschaftsteuer auch am Feststellungsverfahren beteiligt. Für Bewertungsstichtage nach dem 30.06.2011 (vgl. § 205 Abs. 1 BewG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 v. 01.11.2011 – BewG n.F.) folge dies ausdrücklich aus § 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG n.F., wonach diejenigen, die eine Steuer schuldeten, für die die Wertfeststellung von Bedeutung sei, am Feststellungsverfahren beteiligt seien. Für frühere Bewertungsstichtage folge dies aus der Rechtsprechung des BFH, wonach den in Betracht kommenden Steuerschuldnern der Gegenstand der Wertfeststellung i.S.d. § 154 Abs. 1 Nr. 1 BewG zuzurechnen sei und diese Steuerpflichtigen am Feststellungsverfahren beteiligt seien (BFH, Urt. v. 06.07.2011 – II R 44/10 – BStBl II 2012, 5 Rn. 24 und 30; dazu Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 45/2011 Anm. 1).
Dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Miterben müsse klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richteten. Dabei sei es ausreichend, wenn sich die Beteiligten zwar nicht aus dem Adressfeld, wohl aber aus dem weiteren Inhalt des Bescheids ergäben.
Letztlich könnten an die Bezeichnung des Inhaltsadressaten bei einem Feststellungsbescheid keine geringeren Anforderungen gestellt werden als in den Fällen, in denen gegen die Erbengemeinschaft – ausnahmsweise – als Steuerschuldnerin oder Gesamtrechtsnachfolgerin des Steuerschuldners Steuerbescheide erlassen würden. Auch in diesen Fällen müsse der an die Erbengemeinschaft gerichtete Steuerbescheid mangels Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft zur Identifizierung grundsätzlich den Namen des Erblassers und die Namen der einzelnen Miterben enthalten (BFH, Urt. v. 29.11.1972 – II R 42/67 – BStBl II 1973, 372, zur Grunderwerbsteuer; BFH, Beschl. v. 17.11.1987 – V B 111/87 – BFH/NV 1988, 682, zur Umsatzsteuer). Die Finanzverwaltung folge dieser Rechtsprechung (vgl. 2.4.1.3 AEAO zu § 122).
Aus § 154 Abs. 3 BewG könne nicht hergeleitet werden, dass die Bezeichnung der Miterben im Feststellungsbescheid entbehrlich wäre. Diese Vorschrift enthalte lediglich Regelungen über die (erleichterte) Bekanntgabe des Feststellungsbescheids, treffe aber keine Regelung über dessen Inhaltsadressaten.
C. Kontext der Entscheidung
Ein Verwaltungsakt leidet an einem schweren und offenkundigen Mangel und ist deshalb gemäß § 125 Abs. 1 AO i.V.m. § 119 AO nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsaktes ist daher die Angabe des Inhaltsadressaten, d.h. desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (BFH, Urt. v. 23.10.2014 – V R 11/12 – BStBl II 2015, 973; BFH, Urt. v. 13.10.2005 – IV R 55/04 – BStBl II 2006, 404, unter I.1., dazu Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 8/2006 Anm. 1). Im Falle eines Steuerbescheides ist insoweit nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO u.a. die Angabe des Steuerschuldners als Inhaltsadressaten des Bescheides erforderlich. Dabei reicht es jedoch aus, wenn der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH, Urt. v. 17.11.2005 – III R 8/03 – BStBl II 2006, 287, m. Anm. Dürr, jurisPR-SteuerR 10/2006 Anm. 2).
Dabei kommt es darauf an, wie der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Nur wenn sich auch durch Auslegung nicht klar und eindeutig ermitteln lässt, für wen der Verwaltungsakt bestimmt ist oder wer von ihm betroffen sein soll, ist der Verwaltungsakt nichtig (BFH, Beschl. v. 11.08.2006 – V B 205/04 – BFH/NV 2007, 5).
Ist der Inhaltsadressat im Verwaltungsakt nicht hinreichend bestimmt angegeben, ist der Verwaltungsakt nichtig, ohne dass er in der Einspruchsentscheidung geheilt werden könnte (BFH, Urt. v. 17.06.1992 – X R 47/88 – BStBl II 1993, 174 Rn. 30; BFH, Urt. v. 17.09.1997 – II R 49/95 – BFH/NV 1998, 417; Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO Rn. 19, § 125 AO Rn. 7; Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 179 AO Rn. 162).
Feststellungsbescheide müssen ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für wen sie inhaltlich bestimmt sind (BFH, Urt. v. 24.07.2013 – I R 57/11 – BFHE 243, 102 = BFH/NV 2014, 390, m. Anm. Steinhauff, jurisPR-SteuerR 14/2014 Anm. 1; BFH, Urt. v. 02.07.2004 – II R 73/01 – BFH/NV 2005, 214). Der Feststellungsbeteiligte ist regelmäßig identisch mit demjenigen, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 1 AO; vgl. BFH, Urt. v. 17.09.1997 – II R 49/95, m.w.N.).
Dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Miterben muss klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten. Dabei ist es ausreichend, wenn sich die Beteiligten zwar nicht aus dem Adressfeld, wohl aber aus dem weiteren Inhalt des Bescheids ergeben, z.B. aus einer Anlage (vgl. Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 179 AO Rn. 8, m.w.N.), aus den Erläuterungen des Bescheids oder aus einem in Bezug genommenen Bericht über eine Außenprüfung (vgl. BFH, Urt. v. 17.11.2005 – III R 8/03 – BStBl II 2006, 287, m. Anm. Dürr, jurisPR-SteuerR 10/2006 Anm. 2).
Indes sind Formalismus und Wortklauberei unangebracht. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der Inhaltsadressat sicher identifizieren lässt (BFH, Urt. v. 07.07.2004 – II R 77/01 – BFH/NV 2005, 73). Daher ist die Bezeichnung Erbengemeinschaft mit dem Zusatz der Namen der Erben ausreichend, denn die Mitglieder der Erbengemeinschaft können einem solchen Bescheid entnehmen, dass dieser sich gegen sie als Erbengemeinschaft richtet (vgl. BFH, Urt. v. 07.07.2004 – II R 77/01; BFH, Urt. v. 15.04.2010 – IV R 67/07 – BFH/NV 2010, 1606, unter II.3.c aa).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Inhaltsadressaten waren im Streitfall auch nicht durch Auslegung bestimmbar, da es an entsprechenden Umständen fehlte, die eine derartige Auslegung zugelassen bzw. geboten hätten.
Der BFH konnte offenlassen, ob die spätere Bezeichnung in der Einspruchsentscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt, denn eine Heilung der mangelnden Bezeichnung der Inhaltsadressaten in der Einspruchsentscheidung war nicht möglich (BFH, Urt. v. 17.06.1992 – X R 47/88 – BStBl II 1993, 174; Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO Rn. 19, § 125 AO Rn. 7; Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 179 AO Rn. 162).
Gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes gegenüber mehreren Miterben
Birgit OehlmannRechtsanwältin
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