Zu der heute vom Rat der EU-Justizminister angenommenen EU-Erbrechtsverordnung erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Erben und Vererben betrifft so ziemlich alle Bürgerinnen und Bürger im Laufe ihres Lebens irgendwann einmal. Bislang bestimmt jeder EU- Mitgliedstaat in seinem nationalen Erbrecht, wer Erbe wird, welche Höhe Erbteile oder Pflichtteile haben, welche Formvorschriften für Testamente gelten und auf welche Weise Erben ihre Rechte nachweisen können. Die nationalen Regelungen der EU-Mitgliedstaaten sind dabei ganz unterschiedlich ausgestaltet. Diese unterschiedlichen Regelungen können dazu führen, dass derselbe Erbfall in unterschiedlichen Staaten unterschiedlich beurteilt und behandelt wird. Auch werden Erbnachweise aus einem Mitgliedstaat der EU in den anderen Mitgliedstaaten häufig nicht anerkannt. Dadurch müssen Erben unter Umständen in verschiedenen Staaten parallel Erbnachweise beantragen.

Die neue EU-Erbrechtsverordnung schafft durch einfache und unbürokratische Regelungen Abhilfe. In der Regel wird in Zukunft das Erbrecht des Staates angewendet, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Rechtsunsicherheit und bürokratischer Aufwand werden durch die neue EU-Erbrechtsverordnung minimiert. Die Neuregelungen werden künftig die grenzüberschreitende Nachlassplanung und die Durchführung von Erbsachen mit EU-Bezug erleichtern. Der zunehmenden Mobilität vieler Menschen wird Rechnung getragen, denn für viele gehört es heute zum Alltag, sich in einem anderen EU-Staat niederzulassen und dort eine Familie zu gründen, ein Haus zu kaufen oder Geld anzulegen. Durch diese gesteigerte Mobilität mehren sich auch die Erbfälle mit Bezug ins EU-Ausland. Die Zahlen sprechen für sich: Bereits heute haben 10% aller Erbfälle in Europa einen grenzüberschreitenden Bezug, das sind etwa 450.000 Erbfälle mit einem Nachlasswert von ca. 120 Milliarden Euro.

Zum Hintergrund:

Die Verordnung legt einheitliche Regeln darüber fest, welches Erbrecht auf einen internationalen Erbfall anzuwenden ist (Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts). Dadurch, dass in allen Mitgliedstaaten der EU (außer Dänemark, Irland und Großbritannien) das anwendbare Erbrecht nach denselben Regeln bestimmt wird, wird die derzeitige Rechtszersplitterung bei der Beurteilung grenzüberschreitender Erbsachen künftig beseitigt.

Die allgemeine Regel besagt: Es wird das Erbrecht des Staates angewendet, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Für alle Menschen, die auf Dauer in Deutschland leben und dann versterben, gilt also künftig deutsches Erbrecht, gleichgültig, welche Staatsangehörigkeit sie besitzen.

Durch ein Testament oder einen Erbvertrag kann der Erblasser stattdessen auch das Erbrecht des Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Zum Beispiel kann ein dauerhaft auf Mallorca lebender Deutscher deutsches Erbrecht wählen. Dann wird er nach deutschem Recht beerbt. Wenn er dagegen keine Rechtswahl trifft, kommt künftig spanisches Erbrecht zur Anwendung, wenn der letzte gewöhnliche Aufenthalt Mallorca war.

Die neue Verordnung führt außerdem ein „Europäisches Nachlasszeugnis“ ein, das in allen Mitgliedstaaten der Verordnung einheitlich gilt. Damit können Erben und Testamentsvollstrecker in allen Mitgliedstaaten, in denen die Verordnung gilt, ihre Rechtsstellung einheitlich nachweisen. Darüber hinaus werden die nationalen Erbnachweise der Mitgliedstaaten, zum Beispiel der deutsche Erbschein, in den anderen Mitgliedstaaten nach den Regeln der Verordnung anerkannt. Erben müssen also künftig nicht mehr in jedem Mitgliedstaat einen neuen Erbnachweis beantragen.

Dagegen ändert die Verordnung das nationale Erbrecht der Mitgliedstaaten nicht.

Die Verordnung wird im Laufe des Jahres 2015 zur Anwendung kommen. Diese Übergangsfrist soll es allen Betroffenen ermöglichen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Die Verordnung gilt in allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien.