Nachfolgend ein Beitrag vom 27.3.2017 von Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 13/2017 Anm. 3

Leitsätze

1. Ein inländisches Kreditinstitut ist verpflichtet, in die Anzeigen nach § 33 Abs. 1 ErbStG auch Vermögensgegenstände einzubeziehen, die von einer unselbstständigen Zweigniederlassung im Ausland verwahrt oder verwaltet werden, selbst wenn dort ein strafbewehrtes Bankgeheimnis zu beachten ist.
2. Die Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG ist, soweit sie sich auf Vermögensgegenstände bei einer unselbstständigen Zweigniederlassung in einem EU-Mitgliedstaat erstreckt, mit Unionsrecht vereinbar.
3. Die einem inländischen Kreditinstitut obliegende Anzeigepflicht i.S.d. § 33 Abs. 1 ErbStG verletzt nicht die territoriale Souveränität des ausländischen Staates, in dem sich die Zweigstelle befindet. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 2 GG zur Klärung völkerrechtlicher Fragen ist insoweit nicht geboten.

A. Problemstellung

Der Besprechungsfall betrifft die Frage, wie weit die Anzeigepflicht des § 33 Abs. 1 ErbStG reicht. Nach dieser Vorschrift haben die geschäftsmäßigen Vermögensverwahrer und Vermögensverwalter, also insbesondere Banken, alle in ihrem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände beim Tode des Erblassers dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen. In dem Fall bestand die Besonderheit, dass die Bank eine Zweigstelle in Österreich unterhielt und dort ein strafbewehrtes Bankgeheimnis zu beachten ist. Der BFH hatte zu entscheiden, ob die Anzeige von der Bank zu erstatten war, obwohl dies dazu führen konnte, dass sich die ausführenden Personen nach österreichischem Recht strafbar machen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie betreibt in Deutschland ein Kreditinstitut mit einer Vielzahl von Zweigstellen. Eine der rechtlich unselbstständigen Zweigstellen (nachfolgend Zweigstelle A) befand sich in Österreich. Für die bei der Zweigstelle A geführten Konten erstattete die Klägerin beim Tod eines Kontoinhabers keine Anzeige nach § 33 Abs. 1 ErbStG. Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts forderte die Klägerin mit Schreiben vom 25.09.2008 unter Hinweis auf § 33 Abs. 1 ErbStG und § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO auf, ab dem 01.01.2001 alle von der Zweigstelle A verwalteten Vermögensgegenstände und Forderungen, die bei dem Tod eines inländischen Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, in der nach § 1 ErbStDV vorgesehenen Form bis zum 30.01.2009 dem jeweils für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Einspruch und Klage waren ohne Erfolg geblieben.
Der BFH hatte zunächst das Verfahren ausgesetzt und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) dem § 33 Abs. 1 ErbStG entgegensteht (BFH, Beschl. v. 01.10.2014 – II R 29/13 – BStBl II 2015, 232 m. Anm. Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 10/2015 Anm. 4). Der EuGH hat mit Urteil vom 14.04.2016 (C-522/14 – DStR 2016, 911 – IStR 2016, 503 „Sparkasse Allgäu“; Anm. Henze, ISR 2016, 207) die Frage verneint.
Die Klägerin regte im Revisionsverfahren an, das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 GG mit der Frage zu befassen, ob die Rechtsgeltungserstreckung des § 33 ErbStG auf österreichisches Staatsgebiet und eine administrative Konkretisierung der aus § 33 ErbStG folgenden Anzeigepflichten, wenn deren Erfüllung in Österreich Gesetze respektive Strafgesetze verletzt, den Staat Österreich in seiner souveränen Territorialhoheit beeinträchtigt und damit gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts verstößt.
Der BFH hat entschieden, dass die Aufforderung des Finanzamts rechtmäßig ist. Die Klägerin ist als inländisches Kreditinstitut verpflichtet, in die Anzeigen nach § 33 Abs. 1 ErbStG auch Vermögensgegenstände einzubeziehen, die von der Zweigniederlassung in Österreich verwahrt werden, selbst wenn dort ein strafbewehrtes Bankgeheimnis zu beachten ist.
I. Die Anzeigepflicht wird nicht durch das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Österreich in der am 01.03.2012 in Kraft getretenen Fassung berührt. Der Austausch von Informationen auf dem Gebiet der Steuern nach Art. 26 DBA Österreich n.F. ist erst auf die Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume anzuwenden, die am oder nach dem 01.01.2011 beginnen (Art. III Abs. 2 des Protokolls vom 29.12.2010 – BGBl II 2011, 1210). Das DBA Österreich n.F. erfasst deshalb schon in zeitlicher Hinsicht nicht die im Streit stehende Aufforderung vom 25.09.2008, die den Zeitraum ab dem 01.01.2001 bis zum 30.01.2009 betrifft.
II. Die Klägerin kann sich als Anstalt des öffentlichen Rechts weder auf die Arbeitnehmer-Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV noch auf die Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV berufen. Sie gehört weder zu den Arbeitnehmern i.S.v. Art. 45 AEUV noch zu den Unionsbürgern i.S.v. Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 AEUV. Die Grundfreiheiten Dritter, nämlich die Rechte der in der Zweigstelle A eingesetzten Arbeitnehmer oder der für die Klägerin handelnden Vorstandsmitglieder auf Freizügigkeit, kann sie nicht geltend machen. Sie wird vielmehr durch die Niederlassungsfreiheit geschützt.
III. Die Einbeziehung der bei ausländischen Zweigniederlassungen verwahrten oder verwalteten Vermögenswerte in die Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Grundrechte der Klägerin werden, soweit die Klägerin überhaupt grundrechtsfähig ist, nicht verletzt.
IV. Die Erstreckung der Anzeigepflicht auf die bei der Zweigstelle in Österreich verwahrten Vermögensgegenstände verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der weite Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 ErbStG für sie, ihre Organe und ihre Mitarbeiter unvorhersehbar gewesen sei. Sie musste sich vielmehr darauf einstellen, dass die Anzeigepflicht auch Konten und Depots bei der Zweigstelle in Österreich umfasst. Das BMF hatte die Spitzenverbände des Kreditgewerbes bereits mit Schreiben vom 13.06.2000 (DB 2000, 2350) und vom 21.03.2001 (FR 2001, 712) darauf hingewiesen, dass die Anzeigepflicht der Banken und anderer Geldinstitute nach § 33 Abs. 1 ErbStG auch dann besteht, wenn eine inländische Bank für einen Erblasser Konten und Wertpapiergeschäfte über eine rechtlich unselbstständige ausländische Niederlassung abwickelt.
V. Das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Prinzip der Einheit der Rechtsordnung ist nicht deshalb verletzt, weil die Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG ausländische Zweigstellen inländischer Kreditinstitute erfasst, während sich der automatisierte Abruf von Kontoinformationen nach § 24c KWG nicht auf diese Zweigstellen erstrecken soll. Die Vorschriften unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen als auch hinsichtlich der damit verbundenen Ziele deutlich voneinander.
VI. Die Einbeziehung ausländischer Zweigstellen inländischer Kreditinstitute in die Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG verletzt nicht das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip. Nach dem völkerrechtlich zu beachtenden Territorialitätsprinzip bezieht sich die Hoheitsgewalt eines Staates grundsätzlich auf das ihm zugehörige Territorium. Adressat der Aufforderung zur Erfüllung der Anzeigepflicht ist das inländische Kreditinstitut und nicht dessen ausländische Zweigstelle. Mit der Aufforderung an das inländische Kreditinstitut ist kein hoheitliches Handeln des Finanzamts auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates verbunden. Auch der Vollzug der Anzeigepflicht ist auf das inländische Staatsgebiet beschränkt, wenn wie im Streitfall das inländische Kreditinstitut Zugriff auf die zur Erfüllung der Anzeigepflicht notwendigen Daten hat und damit die Anzeigen vom Inland aus erfolgen können.
Ein im Ausland geltendes strafbewehrtes Bankgeheimnis steht der Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG insbesondere nicht entgegen, wenn die ausländischen Vorschriften Befreiungen von der Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses vorsehen und dem inländischen Kreditinstitut damit unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet wird, die Anzeigen nach § 33 Abs. 1 ErbStG ohne Verletzung des Bankgeheimnisses zu erfüllen. In einem solchen Fall scheidet eine Kollision der Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG mit dem nach ausländischem Recht maßgeblichen strafbewehrten Bankgeheimnis von vornherein aus. Die Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG berührt in keiner Weise die Hoheitsgewalt des ausländischen Staates. Das Kreditinstitut kann vielmehr selbst nach ausländischem Recht in zulässiger Weise Auskunft erteilen und so den sich aus dem Recht beider Staaten ergebenden Pflichten nachkommen. Nach § 38 Abs. 2 Nr. 5 Bankwesengesetz Österreich ist mit ausdrücklicher und schriftlicher Zustimmung des Bankkunden die Offenbarung von Geheimnissen, die dem Kreditinstitut aufgrund der Geschäftsverbindung anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, möglich.
VII. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 2 GG zur Klärung völkerrechtlicher Fragen ist nicht geboten. Gegenstand einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG sind die Fragen, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt. Darüberhinaus sind auch Fragen statthaft, die sich nicht auf die Existenz, sondern nur auf die Tragweite einer Völkerrechtsregel beziehen.
Die Anwendung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts auf den konkreten Fall bleibt jedoch stets Aufgabe des Ausgangsgerichts. Den Fachgerichten ist es nicht verwehrt, Völkerrecht auszulegen und anzuwenden, soweit es keine Zweifel an dem Bestehen oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts gibt (BVerfG, Beschl. v. 12.10.2011 – 2 BvR 2984/09, 2 BvR 3057/09, 2 BvR 1842/10 unter III.1.b aa (1) – NJW 2012, 293).
Die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehene Frage betrifft keine Rechtsfeststellung zur Tragweite des Territorialprinzips. Die Beantwortung der Frage soll im Grunde vielmehr dazu dienen, die Rechtsanwendung festzulegen. Die Territorialhoheit wird nicht beeinträchtigt, weil die Anzeigepflicht nur ein Handeln auf deutschem Staatsgebiet erfordert. Soweit es möglicherweise zu einer Pflichtenkollision zwischen inländischer Anzeigepflicht und Wahrung des österreichischen Bankgeheimnisses kommen kann, beruht dies auf einem Verhalten des Kreditinstituts bzw. der für dieses handelnden Personen und damit auf den Umständen des Einzelfalls.

C. Kontext der Entscheidung

I. Nach dem Sinn und Zweck des § 33 Abs. 1 ErbStG soll die Anzeige der geschäftsmäßig tätigen Vermögensverwahrer und Vermögensverwalter dazu beitragen, das Finanzamt über das Vorliegen eines Erwerbsvorgangs zu unterrichten und damit die möglichst vollständige Erfassung aller Erwerbe von Todes wegen sicherzustellen (BFH, Urt. v. 31.05.2006 – II R 66/04 – BStBl II 2007, 49, m.w.N.; Anm. Jülicher, jurisPR-SteuerR 5/2007 Anm. 3). Die Herausnahme der Auslandsniederlassungen aus der Anzeigepflicht würde die Erreichung dieses Zwecks insoweit gefährden. Darüber hinaus dient die Anzeige auch weiteren Kontrollzwecken. Die für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzämter erstellen aufgrund der Anzeigen Kontrollmitteilungen an die für die Besteuerung des Erblassers und des Erwerbers zuständigen Finanzämter.
II. Die Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG ist mit Unionsrecht vereinbar, selbst wenn sie eine in einem anderen Mitgliedstaat der EU eröffnete Zweigstelle eines inländischen Kreditinstituts umfasst. Den Mitgliedstaaten stand es zu der maßgeblichen Zeit in Ermangelung von Harmonisierungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Informationsaustauschs zu Steuerkontrollzwecken frei, den inländischen Kreditinstituten – auch hinsichtlich deren im Ausland tätigen Zweigniederlassungen – die Anzeigepflicht aufzuerlegen. Der bloße Umstand, dass das österreichische Recht keine derartige Anzeigepflicht kennt, kann nicht zum Ausschluss der Möglichkeit für Deutschland führen, eine solche Pflicht zu normieren. (EuGH, Urt. v. 14.04.2016 – C-522/14 – „Sparkasse Allgäu“).
III. Öffentlich-rechtlichen Sparkassen kommt auch außerhalb des Bereichs der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben der Schutz der materiellen Grundrechte nicht zu (BVerfG, Beschl. v. 14.04.1987 – 1 BvR 775/84 – BVerfGE 75, 192; BVerfG, Beschl. v. 15.08.1994 – 2 BvR 1430/94 – NJW 1995, 582). Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich allenfalls auf Verfahrensgrundrechte wie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG, also das Recht auf den gesetzlichen Richter und den Anspruch auf rechtliches Gehör berufen.
IV. Auswirkungen, die sich aus einem strafbewehrten Auskunftsverbot nach ausländischem Recht ergeben, muss ein Staat nicht gegen sich gelten lassen (BFH, Urt. v. 16.04.1980 – I R 75/78 – BStBl II 1981, 492; BFH, Urt. v. 16.04.1986 – I R 32/84 – BStBl II 1986, 736).

D. Auswirkungen für die Praxis

Mit der Entscheidung schließt der BFH an die Rechtsprechung (BFH, Urt. v. 31.05.2006 – II R 66/04 – BStBl II 2007, 49) an, dass die Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG auch ausländische, rechtlich unselbstständige Zweigstellen inländischer Kreditinstitute umfasst. Neu ist, dass ein im Ausland zu beachtendes strafbewehrtes Bankgeheimnis der Anzeigepflicht nicht entgegensteht. Die Anzeigepflicht gilt nicht für selbstständige Niederlassungen im Ausland.