Nachfolgend ein Beitrag vom 21.12.2016 von Hippeli, jurisPR-HaGesR 12/2016 Anm. 4

Orientierungssatz zur Anmerkung

Der Erbe eines GmbH-Gesellschafters kann keine Gesellschafterrechte gegenüber der GmbH geltend machen, sofern er noch nicht in die Gesellschafterliste der GmbH eingetragen wurde.

A. Problemstellung

Fraglich war vorliegend, ob ein Erbe eines GmbH-Gesellschafters Gesellschafterrechte gegenüber der GmbH geltend machen kann, sofern er (noch) nicht in die Gesellschafterliste der GmbH eingetragen wurde. Kann also der neue materielle Eigentümer eines GmbH-Geschäftsanteils aus diesem heraus bereits Rechte beanspruchen, wenn er gegenüber der GmbH noch nicht formell durch die Gesellschafterliste als Gesellschafter ausgewiesen ist?
Spontan entsteht jedenfalls ein Störgefühl, denn an sich ist es nach Maßgabe von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ein eherner Grundsatz, dass nur derjenige Gesellschafterrechte ausüben kann, der in der Gesellschafterliste der GmbH steht. Nunmehr oblag es dem OLG Naumburg, den zwar in der Literatur allerorts diskutierten, jedoch von der Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht anderweitig ausjudizierten Fall zu entscheiden, ob im Hinblick auf die ererbte materielle Gesellschafterstellung eine Ausnahme vom Grundsatz der gegenüber der GmbH auch erforderlichen formellen Gesellschafterstellung i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu machen ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Streitbefangen war vorliegend der Beschluss der Gesellschafterversammlung der beklagten GmbH aus dem April 2015, mit dem der Geschäftsanteil des verstorbenen Ehemanns der Klägerin eingezogen wurde.
In der Satzung der Beklagten ist bezüglich der Geschäftsanteile von verstorbenen Gesellschaftern geregelt, dass diese ohne Zustimmung der betroffenen Partei per Beschluss mit einfacher Mehrheit gegen Abfindung einzuziehen sind. Dieses Szenario wurde nach dem Tod des Ehemanns der Klägerin im Rahmen einer spontan durch den einzig verbliebenen anderweitigen Gesellschafter abgehaltenen Gesellschafterversammlung ohne Einladungen hierzu im August 2014 umgesetzt. Obzwar die Klägerin (telefonisch) mitgeteilt hatte, dass sie qua letztwilliger Verfügung Alleinerbin ihres Ehemanns ist, wurde sie vom Geschäftsführer der Beklagten nicht in die Gesellschafterliste der Beklagten eingetragen. Im April 2015 wurde die Klägerin „rein vorsorglich“ dennoch zu einer (weiteren) Gesellschafterversammlung eingeladen, auf der es erneut um die Einziehung des maßgeblichen Geschäftsanteils ging und ein weiterer Einziehungsbeschluss gefasst wurde.
Die Klägerin erhob in der Folge eine Anfechtungsklage in Bezug auf den Einziehungsbeschluss vom April 2015 und begründete dies mit mehreren Unzulänglichkeiten (keine fristgemäße Entscheidung über die Einziehung; formell fehlerhafte Gesellschafterversammlung; fehlende Wirksamkeit der Einziehung mangels gezahlter und im Übrigen zu niedrig bemessener Abfindung).
Das Landgericht wies die Klage aus formellen Gründen ab, weil die Klägerin nicht in der Gesellschafterliste stand (keine Anfechtungsbefugnis).
Das OLG Naumburg hielt die Berufung der Klägerin für unbegründet, der streitbefangene Geschäftsanteil sei wirksam eingezogen worden. Dies sei aber noch nicht mit dem vorliegend nicht angegriffenen ersten Einziehungsbeschluss vom August 2014 erfolgt. Jener Beschluss sei letzten Endes eo ipso nichtig, da jedenfalls nicht alle Gesellschafter i.S.d. § 51 GmbHG zur maßgeblichen Gesellschafterversammlung eingeladen wurden. Da bezogen auf den streitbefangenen Geschäftsanteil überhaupt keine Einladung erging, könne offenbleiben, an wen sich diese Einladung im Kontext des Todes des Inhabers dieses Geschäftsanteils dann hätte richten müssen.
Der zweite Einziehungsbeschluss vom April 2015 sei durch die Klägerin nicht angreifbar und daher als wirksam zu begreifen. Denn der Klägerin fehle insoweit die Anfechtungsbefugnis. Im Falle einer Veränderung in der Person des Gesellschafters könne sich auf die Rechte eines Gesellschafters nur derjenige berufen, der als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies gelte auch im Erbfall.
So erfasse zunächst der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sämtliche Arten der Rechtsnachfolge. Gesetzeshistorisch gesehen sei dem Gesetzgeber auch bewusst gewesen, dass er die Fälle der Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen der Anpassung der Norm an § 67 Abs. 2 AktG künftig gleichbehandelt. Zu sehen sei, dass das Konzept der relativen Rechtsstellung des Gesellschafters nach Maßgabe der Gesellschafterliste seit langem gelte. Erst mit Eintragung in diese Liste könnten Mitgliedschaftsrechte beansprucht werden. Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sei es ferner, Rechtssicherheit zu schaffen. Die von der Klägerin beanspruchte Ausnahme vom Abstellen auf den formellen Legitimationsträger würde diesen Gesetzeszweck aber massiv beeinträchtigen.
Des Weiteren sei auch nicht erkennbar, dass die Beklagte die Nichteintragung der Klägerin in die Gesellschafterliste in rechtsmissbräuchlicher Weise herbeigeführt habe. Ein solcher Rechtsmissbrauch komme zwar immer dann in Betracht, wenn sich die GmbH gegenüber einem Neugesellschafter auf die fehlende Eintragung in die Gesellschafterliste beruft, obwohl sie die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste selbst zu vertreten hat. Schließlich treffe den Geschäftsführer der GmbH (auch) im Falle des Todes eines Gesellschafters nach § 40 Abs. 1 GmbHG eine Pflicht zur Aktualisierung der Gesellschafterliste. Die vorliegend erfolgte Mitteilung der Klägerin über den Tod ihres Ehemanns habe allerdings nicht den diesen Umstand auslösenden Anforderungen genügt. Denn die Mitteilung hätte schriftlich erfolgen und eine durchgängig Bestand habende, zweifelsfreie Bezeichnung des konkreten Rechtsnachfolgers samt entsprechender Nachweise im Hinblick auf sämtliche Angaben beinhalten müssen. Davon einmal abgesehen fehle es jedenfalls auch an einem Anfechtungsgrund.

C. Kontext der Entscheidung

Ein interessanter Fall, dessen Ergebnis ohne jeden Zweifel als zutreffend bezeichnet werden kann. Die Klägerin hat vorliegend schlicht und einfach das falsche Mittel der Rechtsdurchsetzung gewählt. Statt sich sogleich mit einer Anfechtungsklage gegen den Beschluss über die Einziehung des ererbten Geschäftsanteils zu wenden, hätte sie zunächst mit einer ordnungsgemäßen Mitteilung samt Nachweisen ihre Eintragung in die Gesellschafterliste bewirken müssen, im streitigen Falle ggf. auch mit Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes (so auch Berninger, GWR 2016, 507). Da somit Eilrechtsschutz möglich ist, erscheinen allgemeine Friktionen der zwischenzeitlichen Handlungsunfähigkeit der GmbH im Falle des Todes eines Gesellschafters allgemein nicht gegeben (so aber Link, RNotZ 2009, 193, 213). Problematisch kann es allerdings dann werden, wenn zugleich eine Erbstreitigkeit zwischen mehreren Erben/Scheinerben besteht, somit der Eilrechtsschutz nicht ohne weiteres in Anspruch genommen werden kann. Dies ist aber ein allgemeines Risiko (auch) des Gesellschaftsrechts, welches auch in ähnlichen Varianten bestehen kann, etwa wenn die Parteien einer Erbengemeinschaft derart miteinander im Clinch liegen, dass in der Erbmasse befindliche Gesellschaftsanteile faktisch brachliegen.
Grundsätzlich gilt i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Falle einer Veränderung des Gesellschafterbestands als Inhaber eines Geschäftsanteils im Verhältnis zur GmbH nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Wie das Oberlandesgericht nun bestätigt hat, ist es völlig gleichgültig, ob die Veränderung des Gesellschafterbestands aufgrund von Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist (so auch die Gesetzesbegründung zum MoMiG: BT-Drs. 16/6140 v. 25.07.2007, S. 38; ferner Wicke in: Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 16 Rn. 2; Verse in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016, § 16 GmbHG Rn. 4). Der Erbe ist i.S.d § 1922 BGB typischerweise Gesamtrechtsnachfolger. Auch der Erbe muss sich erst in die Gesellschafterliste eintragen lassen, um gegenüber der GmbH Gesellschafterrechte geltend machen zu können. Dass er gegenüber Dritten gleichwohl sämtliche Rechte aus seinem neu erlangten Eigentum ausüben kann, spielt gesellschaftsrechtlich im Verhältnis zur GmbH dagegen keine Rolle.
In der Literatur ist dieser Umstand des erbrechtlichen Erwerbs von Geschäftsanteilen dagegen in seiner Wirkung stark umstritten. Die mittlerweile herrschende Meinung befürwortet die nun auch vom OLG Naumburg eingenommene Position, wonach die Eintragung in die Gesellschafterliste für die Geltendmachung von Gesellschafterrechten gegenüber der GmbH konstitutiv ist (vgl. etwa Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 16 Rn. 43; Wicke in: Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 6; Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 16 Rn. 17; Wolff, BB 2010, 454, 455; Bayer, GmbHR 2012, 1, 4). Die Gegenauffassung will allerdings dann eine Ausnahme machen, wenn der Erbe mit einem starken Legitimationsdokument wie einem Erbschein gegenüber der GmbH aufwarten kann (vgl. Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 16 Rn. 21; Ising, NZG 2010, 812, 815 f.). Die letztgenannte Ansicht ist indes nicht sonderlich überzeugend, denn § 2365 BGB stellt ja lediglich eine widerlegbare Vermutung dahingehend auf, dass die im Erbschein bezeichnete Person Erbe ist. Mit der unwiderleglichen Vermutung der materiellen Berechtigung des Gesellschafters gegenüber der GmbH durch die Eintragung in die Gesellschafterliste kann dieses Momentum schwerlich gleichgesetzt werden. Außerdem würden wesentliche Ziele des § 16 Abs. 1 GmbHG i.d.F. seit dem MoMiG (Schaffung von Transparenz über die Beteiligungsverhältnisse) konterkariert, wenn der Erbschein neben die Gesellschafterliste treten und contra legem Gesellschafterrechte vermitteln würde (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 24.02.2015 – II ZB 17/14 – NJW 2015, 1303, 1306). Insofern überzeugt das Ergebnis der vorliegenden Entscheidung, welche im Übrigen vom Auslegungskanon her mustergültig begründet ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Gesellschafterliste der GmbH stellt über ihre Entwicklungsgeschichte hinweg seit jeher einen regelrechten Zankapfel dar. Nunmehr scheint zumindest wieder ein kleiner Aspekt der Gesellschafterliste durch Rechtsprechung abgesichert zu sein: Auch der Erbe bekommt keine Extrawurst gebraten und muss sich zunächst in die Gesellschafterliste eintragen lassen, wenn er gegenüber der GmbH Gesellschafterrechte beanspruchen will.