Nachfolgend ein Beitrag vom 6.6.2017 von Linnartz, jurisPR-FamR 11/2017 Anm. 2

Leitsatz

Beruft der Erblasser in einem notariellen Testament einen eingetragenen Verein, der ein Tierheim betreibt, zum Alleinerben ohne bereits für den Fall des Erlöschens des Vereins einen Ersatzerben zu bestimmen und überträgt nach Insolvenz des Vereins der Insolvenzverwalter zur Fortführung des Geschäftsbetriebes „im Wege einer übertragenden Sanierung“ das Inventar des Insolvenzschuldners, sämtliche Tiere und darüber hinaus sämtliche Arbeitsverhältnisse auf einen Dritten, der unter der im Testament aufgeführten Anschrift das Tierheim des Insolvenzschuldners weiter betreibt, so kann die ergänzende Testamentsauslegung ergeben, dass nicht der aufgelöste, aber noch nicht erloschene Insolvenzschuldner, sondern der nunmehrige Träger der zu fördernden Aufgabe Zuwendungsempfänger sein soll.

A. Problemstellung

Die Entscheidung befasst sich mit der Problematik, wer unter Auslegung eines Testaments zum Erben berufen ist, wenn der Erbe (Verein) wegen Insolvenz weggefallen ist, ohne dass der Erblasser einen Ersatzerben bestimmt hat.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Erblasser war ledig und kinderlos im August 2015 verstorben. Seine Eltern waren vorverstorben. Außer seiner noch lebenden Schwester hatte er keine weiteren Angehörigen. Vor einem Notar errichtete er im Jahre 2004 sein Testament. Darin ordnete er unter anderem an:
„Zu meinem Alleinerben berufe ich das Tierheim … Kleve e.V., … in … Kranenburg-Mehr. Einen Ersatzerben möchte ich für den Fall des Erlöschens des Vereins vorerst nicht bestimmen.“
Über das Vermögen des Tierheims (Insolvenzschuldner) wurde am 01.12.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Sitz des Vereins lag in der A-Straße, während die Tiere selbst in den Räumlichkeiten in der B-Straße versorgt wurden. Der Beteiligte zu 1 war zum Insolvenzverwalter des Insolvenzschuldners, dessen Löschung am 11.12.2013 das Vereinsregister eingetragen wurde, bestellt.
Der Beteiligte zu 2 übernahm mit Kauf- und Übernahmevertrag vom 04.12.2013 zum 01.12.2013 vom Beteiligten zu 1 zur Fortführung des Geschäftsbetriebes „im Wege einer übertragenden Sanierung“ das Inventar des Insolvenzschuldners, sämtliche Tiere und alle Arbeitsverhältnisse.
Antragsgemäß erteilte das Nachlassgericht am 09.12.2015 dem Beteiligten zu 2 einen Erbschein, der ihn als Alleinerbe des Erblassers auswies. Mit Schreiben vom 25.12.2015 beantragte der Beteiligte zu 1 dann die Einziehung des Erbscheins und Erteilung eines Erbscheins zu seinen Gunsten.
Das Nachlassgericht zog den Erbschein zugunsten des Beteiligten zu 2 nicht ein, nachdem es noch zuvor den Beteiligten zu 1 auf die Erforderlichkeit einer eidesstattlichen Versicherung seiner Angaben, die der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedürfen, hingewiesen hatte.
In der Sache hatte die Beschwerde des Beteiligten zu 1 vor dem OLG Düsseldorf keinen Erfolg.
Der dem Beteiligten zu 2 erteilte Erbschein sei nicht einzuziehen. Der Erblasser habe die Erbfolge durch ein formgültiges und auch im Übrigen wirksames Testament geregelt.
Das Testament sei jedoch auslegungsbedürftig. Dies ergebe sich daraus, dass der Erblasser den sich zunächst nicht in Insolvenz befindlichen Verein zum Alleinerben berufen habe, dabei aber die Anschrift des Standorts angegeben hatte, an dem die Tiere tatsächlich betreut wurden. In dem notariellen Testament sei dagegen die Anschrift des Sitzes der Insolvenzschuldnerin nicht angegeben gewesen. Diese Diskrepanz sei im Wege der Auslegung zu berücksichtigen gewesen. Für das Bedürfnis nach einer Auslegung spreche weiter, dass der zunächst bedachte Verein zwischenzeitlich aufgelöst gewesen sei (§ 42 BGB). Der werbende Verein sei daher beendet und zu liquidieren gewesen.
Der Geschäftsbetrieb „Tierheim“ sei dagegen im Wege einer übertragenden Sanierung an den Beteiligten zu 2 übertragen worden. All diese Umstände habe der Erblasser nicht ausdrücklich in seinem notariellen Testament berücksichtigt und geregelt.
Aufgrund der Zeugenvernehmungen stehe fest, dass es dem Erblasser darauf angekommen sei, die Tiere in Tierheim zu unterstützen. Die Problematik, die sich aus der Insolvenz des Trägers ergeben könnte, habe der Erblasser nie gesehen.
Im Rahmen der ergänzenden Auslegung sei das insoweit lückenhafte Testament unter Berücksichtigung des Willens des Erblassers somit zu ergänzen. Aus dem Testament, ergänzt durch den außerhalb des Testaments festgestellten Willen des Erblassers ergebe sich, dass der Erblasser dem Tierheim (den Tieren) etwas zukommen lassen wollte. Die Gläubiger der Insolvenzschuldner zu begünstigen, habe ihm mit Sicherheit ferngelegen. Die Tiere zu begünstigen, sei dem Erblasser aber nur möglich gewesen, wenn der Beteiligte zu 2 Erbe werde.
Die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung habe von der Bestimmung eines Ersatzerben ersichtlich nicht abhängen sollen, § 2086 BGB. Mit der Bestimmung „Einen Ersatzerben möchte ich für den Fall des Erlöschens des Vereins vorerst nicht bestimmen“ werde lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments keinen Anlass gesehen habe, einen Ersatzerben zu bestimmen.
Damit sei die Erteilung des Erbscheins für den Beteiligten zu 2 nicht zu beanstanden.

C. Kontext der Entscheidung

Ein Erbschein, dessen Unrichtigkeit festgestellt wurde, ist einzuziehen (§ 353 Abs. 1 FamFG). Die Unrichtigkeit des einzuziehenden Erbscheins muss positiv feststehen. Bloße Zweifel an der Unrichtigkeit eines Erbscheins rechtfertigen dabei nicht seine Einziehung (Grziwotz in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2017, § 2361 Rn. 29).
Das OLG Düsseldorf hat die Ansicht bestätigt, dass im Rahmen der ergänzenden Auslegung sich aus dem Gesamtbild des Testaments die Willensrichtung des Erblassers erkennen lassen muss, damit dem Willen des Erblassers im Zeitpunkt seiner Testamentserrichtung entsprochen werden kann (Weidlich in: Palandt, BGB, 76. Aufl., § 2084 Rn. 9).
Unerheblich ist dabei, dass der Erbe (hier der Beteiligte zu 2) im Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch nicht existent war. Entscheidend ist, ob der Erblasser die durch Auslegung ermittelte Erbfolge gewollt hätte, wenn er im Zeitpunkt der Testamentserrichtung die spätere Entwicklung bedacht hätte (KG Berlin, Urt. v. 30.12.2015 – ErbR 2016, 331).

D. Auswirkungen für die Praxis

Für die Praxis bestätigt die Entscheidung des OLG Düsseldorf, dass der Wille des Erblassers aus dem Testament und außerhalb des Testaments liegender Umstände zu ermitteln ist. Insbesondere der Ermittlung des Willens des Erblassers aus Zeugenaussagen ist wesentliche Bedeutung beizumessen. Darüber hinaus sollte der Erblasser in der anwaltlichen Beratung auf die Vorteile der Benennung eines Ersatzerben ausdrücklich hinzuweisen sein.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der unterlegenen Partei. Die Wertfestsetzung bestimmt sich somit nach der Höhe des konkreten Nachlasses.