Nachfolgend ein Beitrag vom 18.7.2017 von Podewils, jurisPR-FamR 14/2017 Anm. 7

Leitsätze

1. Verfügen Ehegatten in einem von der Ehefrau geschriebenen und von beiden Ehegatten unterschriebenen Testament (1978) „Wir, … ., erklären, dass beim Tode eines Ehegatten der Andere ihn beerbt. (Berliner Testament). Unsere beiden ehelichen Kinder A. und S., sowie die Tochter aus der ersten Ehe der Frau: E. K., sollen bei unserem gemeinsamen Tod jeder zu gleichen Teilen erben.“, so ergibt der durch Auslegung ermittelte Wille, dass sie entsprechend § 2269 Abs. 1 BGB zum (alleinigen Voll- )Erben des Erstversterbenden von ihnen den jeweils anderen und zu Miterben nach dem Längstlebenden die drei benannten Kinder als Schlusserben zu je ein Drittel bestimmen, die Eheleute mithin eine Vor- und Nacherbschaft nicht anordnen wollten.
2. Lassen die Ehegatten sich sodann scheiden (1990), heiraten sie, nachdem sie (ab 1998) wieder zusammengelebt haben, erneut (2002) und adoptiert der Erblasser (2003) die erwachsene Tochter der Ehefrau, so kommt es bei nicht vorhandenen Anhaltspunkten dafür, dass die Ehegatten schon im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments (1978) mit der Scheidung ihrer damaligen Ehe gerechnet haben mangels Feststellbarkeit eines auf dessen Weitergeltung gerichteten wirklichen Willens darauf an, ob der zu ermittelnde hypothetische Wille auf einen solchen zur Weitergeltung des Testaments (1978) schließen lässt (hier vom Senat aufgrund einer Gesamtbetrachtung bejaht, u.a. mit Blick darauf, dass die Ehepartner vor ihrer zweiten Heirat rund vier Jahre zusammen lebten, die Heirat ohne erkennbaren „drängenden Anlass“ erfolgte, zwischen dieser Heirat und dem Tod des Erblassers nochmals etwa drei Jahre lagen, keiner der beiden Eheleute in der Zeit zwischen Scheidung und Wiederheirat anderweitig verfügt hat, im Familienkreis ihr Fortgeltungswille bekundet wurde und der Erblasser das Kind der Ehefrau adoptiert hat).

A. Problemstellung

Verliebt, verlobt verheiratet, alsdann zerstritten, getrennt, geschieden – und wieder von vorn. Was zunächst nach dem Handlungsstrang einer „Daily Soap“ klingt, kommt gelegentlich auch im richtigen Leben vor und kann dann erbrechtliche Schwierigkeiten bereiten. Mit einem „Wiederverheiratungsfall“ und dessen Konsequenzen für ein lange zuvor errichtetes gemeinschaftliches Testament war das OLG Düsseldorf befasst.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Zwei seit 1968 verheiratete Eheleute hatten anno 1978 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu ihren alleinigen Erben einsetzten. Zu ihren Schlusserben nach dem Tod des Längerlebenden bestimmten sie, je zu gleichen Teilen, ihre beiden gemeinsamen Kinder sowie die Tochter der Ehefrau aus deren erster Ehe.
1990 ließen sich die Eheleute scheiden, lebten aber ab 1998 wieder zusammen. 2002 heirateten sie erneut. 2003 adoptierte der Ehemann die Tochter seiner Frau erster Ehe.
Nach dem Tod des Ehemanns wurde der Ehefrau 2008 ein Alleinerbschein erteilt. Über sieben Jahre später, nämlich im Herbst 2015, beantragte eines der Kinder die Einziehung dieses Erbscheins, da das 1978 errichtete Testament infolge der zwischenzeitlichen Scheidung unwirksam geworden sei und durch die erneute Heirat nicht wieder wirksam geworden sei. Damit sei gesetzliche Erbfolge eingetreten. Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin blieb beim OLG Düsseldorf erfolglos.
Nach § 2268 Abs. 1 BGB sei ein gemeinschaftliches Testament in den Fällen des § 2077 BGB, insbesondere also bei Scheidung, seinem ganzen Inhalt nach unwirksam; § 2268 Abs. 2 BGB mildere diesen Grundsatz jedoch insoweit ab, als Verfügungen bestehen bleiben, für die anzunehmen sei, dass sie auch für einen solchen Fall getroffen wurden.
Nach ganz h.M. komme es hierfür allein auf den Aufrechterhaltungswillen der Eheleute im Zeitpunkt der Testamentserrichtung an (vgl. BGH, Urt. v. 07.07.2004 – IV ZR 187/03 – NJW 2004, 3113, 3114 f.; dazu Stockmann, jurisPR-FamR 17/2004 Anm. 1; ferner Reymann in: jurisPK-BGB, 8. Aufl., 2017, § 2268 Rn. 11). Später eintretende Tatsachen seien nur insoweit zu berücksichtigen, als sie Rückschlüsse auf den bei Testamentserrichtung vorhandenen bzw. fehlenden Aufrechterhaltungswillen zulassen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 23.05.1995 – 1Z BR 128/94 – NJW 1996, 133). Lasse sich der tatsächliche Wille nicht feststellen, komme es auf den hypothetischen Willen der Ehegatten an, wenn diese die Möglichkeit des Scheiterns der Ehe bedacht hätten (vgl. Weidlich in: Palandt, BGB, 76. Aufl, 2017, § 2268 Rn. 2).
Auch im vorliegenden Fall sei der wirkliche Wille der Eheleute bei Errichtung des Testaments im Jahr 1978 nicht mehr feststellbar gewesen. Mutmaßlich hatten sie sich seinerzeit gar keine Gedanken in Bezug auf eine etwaige Scheidung gemacht.
Das OLG Düsseldorf meinte jedoch, einen hypothetischen Aufrechterhaltungswillen annehmen zu können. Dies ergebe sich daraus, dass die beiden Eheleute – soweit ersichtlich – vor dem Tod des Ehemanns unstreitig im Familienkreis kundgetan hatten, ihr seinerzeitiges Testament gelte fort. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass beide Eheleute zwischenzeitlich, also insbesondere nach erfolgter Scheidung, keine weiteren letztwilligen Verfügungen getroffen hatten. Im Übrigen sei die Wiederheirat augenscheinlich ohne erkennbaren „drängenden Anlass“, z.B. eine gravierende Krankheit eines Partners, erfolgt. Hieraus wie auch aus der Adoption der Tochter der Ehefrau aus deren (aller)erster Ehe folge, dass das „neue familienrechtliche Rechtsverhältnis nicht von geringerer Substanz erfüllt gewesen sei als das alte“.
Nach Auffassung des OLG Düsseldorf war das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 1978 daher wirksam geblieben und maßgeblich für die Erbfolge.

C. Kontext der Entscheidung

Die vom OLG Düsseldorf herangezogenen Umstände dürften durchaus belegen, dass zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bzw. wohl bereits seit der Wiederheirat die Eheleute die Anordnungen ihres in ihrer ersten Verbindung errichteten gemeinschaftlichen Testaments wollten und auch davon ausgingen, dass das Testament fortgelte.
Für einen Aufrechterhaltungswillen bereits bei Testamentserrichtung auch für den Fall der Scheidung ergibt sich hieraus m.E. jedoch nichts. Namentlich ist nicht nachvollziehbar, inwieweit aus dem konkreten Anlass der Wiederheirat sowie der späteren Adoption Rückschlüsse auf den Willen der Eheleute im Jahr 1978 gezogen werden können. Anders läge es, wenn die Eheleute ausdrücklich bekundet hätten, von Anfang an gewollt zu haben, dass das Testament fortgelten solle. So war es aber ersichtlich nicht. Im Übrigen kann bei Verfügungen zugunsten des jeweils anderen Ehegatten ein Aufrechterhaltungswille für den Fall der Scheidung regelmäßig nicht bzw. nur bei besonderen Umständen angenommen werden (vgl. BayObLG, Beschl. v. 08.06.1993 – 1Z BR 95/92 – NJW-RR 1993, 1157 sowie Kanzleiter in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 2268 Rn. 10 m.w.N.). Lässt sich weder der wirkliche noch der hypothetische Wille feststellen, ist von der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung auszugehen (vgl. Czubayok in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl., 2014, § 2077 Rn. 22; Musielak in: MünchKomm BGB, 7. Aufl., 2017, § 2268 Rn. 8 m.w.N.).
Das OLG Düsseldorf wollte erkennbar nicht an dem Grundsatz rütteln, dass es auf den Willen bei Testamentserrichtung ankommt, und hat stattdessen versucht, das von ihm als gerecht empfundene Ergebnis mittels Auslegung und Subsumtion herbeizuführen.
So soll nach dem OLG Düsseldorf zur Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens darauf abzustellen sein, was die Testierenden gewollt hätten, hätten sie nicht nur ihre Scheidung, sondern zusätzlich auch noch eine spätere Wiederheirat bedacht (ebenso Reymann in: jurisPK-BGB, 8. Aufl., 2017, § 2268 Rn. 27); dieser Ansatz verliert sich im Ungefähren, ist der Rechtssicherheit abträglich und findet zudem im Gesetzeswortlaut keinerlei Stütze.
Der „ehrlichere Weg“ wäre gewesen, wie von Teilen der Literatur vorgeschlagen, die Wiederverheiratungsfälle nach Sinn und Zweck von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 2077 BGB auszunehmen (so Leipold in: MünchKomm BGB, 7. Aufl., 2017, § 2077 Rn. 28). Dogmatisch handelt es sich um teleologische Reduktion unter dem Gesichtspunkt, dass sich die bei Testamentserrichtung regelmäßig zugrunde liegende Erwartung des Fortbestandes der Ehe beim Erbfall aufgrund der Wiederheirat letztlich erfülle.
Im Ergebnis ist m.E auch diese Ansicht abzulehnen: Durch die Wiederheirat wird nicht die alte Ehe wiederhergestellt, sondern eine neue begründet (so auch Musielak in: MünchKomm BGB, 7. Aufl., 2017, § 2268 Rn. 14).

D. Auswirkungen für die Praxis

Was die praktischen Folgen betrifft, ist zunächst zu betonen, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Es steht zu vermuten, dass der zugrunde liegende Sachverhalt von anderen Gerichten teils wie das OLG Düsseldorf, teils ganz anders bewertet würde.
So ist zu einem gewissen Grad nachvollziehbar, dass Eheleute, die erneut den Bund für das Leben miteinander eingegangen sind, denken mögen, ihr vorheriges Testament gelte nach der Wiederheirat fort. Andererseits kann man durchaus erwarten, dass sie sich in einer solchen nicht ganz alltäglichen Konstellation diesbezüglich vertiefte Gedanken machen und ggf. Rechtsrat einholen. Wegen der Formgebundenheit der letztwilligen Verfügung kann der bloße Sinneswandel des Erblassers, der seine „alte“ Verfügung aufgrund geänderter Umstände wieder für passend erachtet, nicht zugrunde gelegt werden. Wer beispielsweise ein Testament nach Maßgabe der §§ 2254 ff. BGB widerruft, ggf. auch durch Vernichtung oder Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung, und es sich dann anders überlegt, muss – abgesehen von den Fällen des § 2257 BGB – das Testament neu errichten (vgl. Weidlich in: Palandt, BGB, 76. Aufl, 2017, § 2257 Rn. 2). Mündliche Bekundungen, die widerrufene Verfügung solle in Kraft bleiben, genügen nicht.
Daher sollten Eheleute nach einer Wiederheirat jedenfalls erneut letztwillige Verfügungen formgültig niederlegen. Entsprechendes gilt im Übrigen auch bei der Scheidung. In notariellen Scheidungsfolgenvereinbarungen werden regelmäßig bereits getroffene letztwillige Verfügungen ausdrücklich widerrufen bzw. aufgehoben. Soweit getroffene letztwillige Verfügungen ungeachtet der Scheidung bestehen bleiben sollen, sollte auch dies sicherheitshalber formwirksam niedergelegt werden (hierzu auch Reimann, ZEV 1995, 239).