Nachfolgend ein Beitrag vom 12.4.2016 von Adamus, jurisPR-FamR 8/2016 Anm. 6

Leitsätze

1. Setzt der Erblasser in einem notariellen Einzeltestament seine Ehefrau als Alleinerbin und eine dritte Person als „Schlusserben“ ein, muss das Grundbuchamt davon ausgehen, dass tatsächliche Zweifel im Hinblick auf die Anordnung einer Nacherbfolge bestehen.
2. Das Grundbuchamt muss dann die Grundbuchberichtigung nach dem Tode des Erblassers von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen und darf keinesfalls die Ehefrau als Erbin ohne einen Nacherbenvermerk eintragen.
3. Das Beschwerdegericht kann in einem solchen Fall die Eintragung eines Amtswiderspruchs anordnen, der sich gegen die Eigentümereintragung insoweit richtet, als die Verlautbarung einer Verfügungsbeschränkung durch die gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks unterblieben ist.

A. Problemstellung

Das Grundbuchamt kann auf Antrag des Erben eine Eigentumsumschreibung vornehmen, wenn dieser den Nachweis der Erbfolge durch Erbschein oder Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, führen kann. Fraglich ist vorliegend, wie das Grundbuchamt mit verbleibenden Zweifeln bei der Auslegung eines notariellen Testaments umzugehen hat und wie gegen eine etwaig unrichtige Eintragung im Grundbuch vorgegangen werden kann.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Eigentümer des in Grundbüchern von X eingetragenen Grundbesitzes war der Erblasser. Dieser hatte am 10.06.2009 ein notarielles Testament errichtet, in dem er unter II. seine Ehefrau E zu seiner „alleinigen und ausschließlichen Erbin“ bestimmte. Weiter verfügte der Erblasser wie folgt:
„III. Schlusserbeneinsetzung: Als Schlusserben nach dem Ableben meiner Ehefrau setze ich ein meine Nichte Frau V.
IV. Vorversterben: Sofern meine Ehefrau vor mir versterben, oder wir einer gemeinsamen Gefahr erliegen, bei der ein Vorversterben eines Ehegatten vor dem anderen nicht mehr festgestellt werden kann, soll Schlusserbschaft nach vorstehender Ziffer gelten.“
Am 12.03.2012 errichtete der Erblasser ein weiteres notarielles Testament, in dem er unter Bezugnahme auf seine letztwillige Verfügung vom 10.06.2009 anordnete, dass seine Ehefrau nach seinem Ableben seine alleinige Erbin bleiben solle. Für seine Schwester setzte er ein Vermächtnis aus. Der Erblasser verstarb am 03.11.2014. Die Ehefrau beantragte unter Bezugnahme auf die notariellen Testamente sie als Alleineigentümerin in den vorbenannten Grundbüchern einzutragen. Das Grundbuchamt nahm die Eintragungen am 30.03.2015 vor.
Mit Schriftsatz vom 22.04.2015 beantragte die Nichte V in den Grundbüchern einen Nacherbenvermerk wegen der Schlusserbeneinsetzung durch den Erblasser einzutragen. Die Grundbuchrechtspflegerin hat daraufhin die Stellungnahme der beurkundenden Notarin eingeholt. Die Notarin äußerte sich dahin, dass nach ihrer Erinnerung die Nichte lediglich zur Ersatzerbin eingesetzt werden sollte und ein Nacherbenvermerk demgemäß nicht einzutragen sei. Mit Beschluss vom 01.07.2015 hatte das Grundbuchamt den Antrag der Nichte V zurückgewiesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen.
Das OLG Hamm sieht die Beschwerde, mit der die Eintragung eines Nacherbenvermerks begehrt wird, als nicht begründet an. Der auf die Eintragung von Amtswidersprüchen nach § 53 GBO gerichtete Hilfsantrag hat hingegen Erfolg.
Die Eintragung eines Nacherbenvermerks zugunsten der Nichte V komme derzeit nicht in Betracht, da ihre Stellung als Nacherbin weder durch einen Erbschein nachgewiesen sei noch aus einer öffentlichen Urkunde (Verfügung von Todes wegen) entnommen werden könne (§ 35 Abs. 1 GBO).
Die Eintragung eines zunächst unterbliebenen Nacherbenvermerks könne zwar von Amts wegen nachgeholt werden, dies setze jedoch voraus, dass der Antragsteller seine Stellung als Nacherbe auch mit den im Grundbuch zulässigen Beweismitteln nachweisen könne.
Einen Erbschein, der die Stellung als Nacherbin ausweise (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO), liege nicht vor. Auch den letztwilligen Verfügungen vom 10.06.2009 und 12.03.2012 könne diese Stellung nicht mit der für eine Eintragung erforderlichen Sicherheit entnommen werden. Zu eigenen Ermittlungen, die über das Beiziehen von Akten und das Verwerten von offenkundigen Tatsachen hinausgehen, sei das Grundbuchamt nicht berechtigt. Ob der Erblasser die Nichte als Nacherbin eingesetzt habe, sei daher in einem Erbscheinsverfahren oder in einem Zivilprozessverfahren mit den dort zur Verfügung stehenden Beweismitteln zu klären.
Der Hilfsantrag hat jedoch Erfolg. Zugunsten der Nichte V sind Widersprüche gegen die Eintragungen der Ehefrau als Eigentümerin im Grundbuch einzutragen, soweit die Verlautbarung einer Verfügungsbeschränkung durch die gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks zu ihren Gunsten unterblieben sei (§ 53 Abs. 1 GBO).
Die Eintragung der Ehefrau als Eigentümerin sei unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt, denn die Ehefrau habe ihren Eigentumserwerb als unbeschränkte Alleinerbin nach dem Erblasser nicht nach § 35 GBO nachgewiesen. Durch die Eintragung der Ehefrau als Eigentümerin aufgrund unbeschränkter Alleinerbschaft sei das Grundbuch unrichtig geworden. Die Unrichtigkeit des Grundbuchs müsse dabei nicht feststehen, vielmehr sei ausreichend, dass diese glaubhaft gemacht sei (Demharterm, GBO, § 53 Rn. 28). Nach derzeitigem Erkenntnisstand spreche mehr dafür, dass der Erblasser die Ehefrau nicht als unbeschränkte Alleinerbin eingesetzt habe, sondern lediglich als Vorerbin und die Nichte V als Nacherbin. Die Unrichtigkeit der Eintragung der Ehefrau als Eigentümerin ohne gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks sei damit glaubhaft gemacht.

C. Kontext der Entscheidung

Der Nachweis der Erbfolge kann im Grundbuchverfahren gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO nur durch einen Erbschein (für Personen, die ab dem 17.08.2015 gestorben sind auch durch Europäisches Nachlasszeugnis, hierzu: Demharter, GBO, § 35 Rn. 4) geführt werden. Beruht die Erbfolge jedoch auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist (Testamente und Erbverträge, die zur Niederschrift eines deutschen Notars oder eines Konsularbeamten errichtet sind; zur Problematik bei ausländischen öffentlichen Urkunden vgl. Krause in: Meikel, GBO, 11. Aufl. 2015 § 35 Rn. 108, 129-132), so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung von Todes wegen und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden, § 35 Abs. 1 Satz 2 HS. 1 GBO. Bleiben Zweifel und erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es die Vorlegung eines Erbscheins verlangen, § 35 Abs. 1 Satz 2 HS. 2 GBO. Problematisch ist mithin, in welchen Fällen das Grundbuchamt sich auf berechtigte Zweifel zurückziehen und die Vorlage eines Erbscheins verlangen kann bzw. muss.
Der Grundbuchrechtspfleger hat die Verfügung von Todes wegen auf ihre äußere Form und nach ihrem Inhalt zu prüfen und darf die Eintragung nur versagen, wenn sich nach erschöpfender rechtlicher Würdigung konkrete Zweifel an der Gültigkeit des Testaments oder der Beurteilung der Erbfolge ergeben. Abstrakte Zweifel und bloße Vermutungen genügen nicht. Die inhaltliche Prüfung schließt auch die Pflicht zu einer etwa notwendigen Auslegung ein. Selbst gesetzliche Auslegungsregeln sind zu beachten und zu berücksichtigen, wenn auch das Nachlassgericht voraussichtlich darauf zurückgreifen muss (so OLG Schleswig, Beschl. v. 19.07.2006 – 2 W 109/06 – Rpfleger 2006, 643, 644); dies kann aber nur dort gelten, wo keine weiteren Ermittlungen über tatsächliche Umstände außerhalb der letztwilligen Vefügung angestellt werden müssen (hierzu Krause in: Meikel, GBO § 35 Rn. 119), denn eigene Ermittlungen darf das Grundbuchamt nicht anstellen.
Im vorliegenden Fall hatte sich der Erblasser bei der Errichtung des Testaments notarieller Hilfe bedient, um eine klare und eindeutige Umsetzung seines letzten Willens zu gewährleisten. Dieses Ziel wurde jedoch verfehlt. Der Begriff des Schlusserben entstammt der Terminologie des gemeinschaftlichen Testaments, in dem die Eheleute sich gegenseitig zu Erben des Erstversterbenden und einen Dritten zum Erben des Letztversterbenden einsetzen. Bei einem Einzeltestament stellt sich hingegen die Frage, welche erbrechtliche Vorstellung ein alleintestierender Ehegatte mit der Verwendung des Begriffs „Schlusserbe“ verbindet. Das OLG Hamm hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die von der Notarin in der Stellungnahme vorgenommene Deutung, dass mit der unter III. vorgenommenen Verfügung lediglich die Einsetzung als Ersatzerbin beabsichtigt war, sich schon deshalb verbietet, weil unter IV. eine ausdrückliche Regelung zur Ersatzerbfolge getroffen wird. Es ist daher naheliegend, dass der Regelung unter III. ein eigenständiger Inhalt zukommen sollte, wobei dann viel für eine Einsetzung als Nacherbin spricht. Da es sich jedoch um ein notarielles Testament handelt und die ausdrückliche Verwendung des Begriffs „Nacherbe“ unterblieben ist, verbleiben Zweifel, die sich im Grundbuchverfahren nicht mit den hier zur Verfügung stehenden Mitteln klären lassen.
Die Folge des verbleibenden Zweifels ist einerseits, dass die Eintragung der Ehefrau auf Grundlage des notariellen Testaments nicht hätte erfolgen dürfen, aber andererseits auch die Nichte V ohne Erbschein nicht die Eintragung eines Nacherbenvermerks durchsetzen kann. Folgerichtig konnte nur der Hilfsantrag durchgreifen mit dem im Wege der Beschwerde gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO das Grundbuchamt angewiesen werden kann, einen Widerspruch gemäß § 53 GBO einzutragen.
§ 53 GBO setzt eine Gesetzesverletzung voraus, die sich vorliegend aus der Eintragung der Ehefrau als Eigentümerin als unbeschränkte Alleinerbin nach dem Erblasser ergibt, weil diese ihr Erbrecht nicht nach § 35 Abs. 1 GBO nachgewiesen hat. Durch die Eintragung der Ehefrau als Eigentümerin aufgrund unbeschränkter Alleinerbschaft ist das Grundbuch auch unrichtig geworden, wobei die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht feststehen muss. Es ist vielmehr ausreichend, dass diese glaubhaft gemacht ist (Demharter, GBO, § 53 Rn. 28), weil es sich beim Widerspruch nur um eine vorläufige rechtliche Sicherungsmaßnahme handelt (vgl. a. § 899 Abs. 2 BGB). Im vorliegenden Fall spricht einiges dafür, dass der Erblasser die Ehefrau nicht als unbeschränkte Alleinerbin eingesetzt hat, sondern lediglich als Vorerbin und die Nichte V als Nacherbin, womit die Unrichtigkeit der Eintragung ohne gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks glaubhaft gemacht ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Aufgabe des Grundbuchamtes besteht nicht darin, den Erben die Beantragung eines Erbscheins zu ersparen. Im Rahmen des Grundbuchverfahrens sind keine Ermittlungen, die über die Vorlage der Nachlassakte oder öffentlichen Urkunden hinausgehen, zulässig. Ergibt sich der eindeutige Wille des Erblassers nicht aus den vorgelegten öffentlichen Urkunden und muss dieser erst erforscht werden, ist die Vorlage eines Erbscheins zu fordern. Leider sind notarielle Verfügungen von Todes wegen des Öfteren nicht unzweideutig, so dass diese Urkunden, wie im vorliegenden Fall, nicht für eine Eintragung ausreichen.