Nachfolgend ein Beitrag vom 11.9.2018 von Götsche, jurisPR-FamR 18/2018 Anm. 3
Leitsatz
Bei einem Verstoß gegen die nach § 1642 BGB bestehende Vermögensbetreuungspflicht hat das Kind gegen die Eltern einen Schadensersatzanspruch aus § 1664 BGB, der zudem gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266 StGB auf unerlaubter Handlung beruht.
A. Problemstellung
In welcher Weise ist es den Eltern im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Kindesvermögens gestattet, über das Vermögen des Kindes zu verfügen? Kann das Kind bei pflichtwidrigem Verhalten (Schadens-)Ersatz verlangen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Antragstellerin verlangt von dem Antragsgegner, ihrem Vater, die Zahlung von 60.000 Euro nebst Zinsen. Anfang 2005 hatte der Großvater der Antragstellerin an den Antragsgegner (seinen Schwiegersohn) einen Betrag i.H.v. 60.000 Euro gezahlt. Großvater und Antragsgegner hatten zeitgleich eine schriftliche Erklärung abgegeben, wonach diesen Betrag ursprünglich die mittlerweile verstorbene Mutter der Antragstellerin als Abfindung als weichende Erbin erhalten sollte, der Betrag nunmehr aber der Antragstellerin zustehen soll. Das Geld wurde in den Bau des Hauses, in dem der Antragsgegner mit neuer Lebensgefährtin und der Antragstellerin lebte, gesteckt.
Das OLG Celle hat einen Anspruch aus den §§ 1642, 1664 BGB bejaht.
Der Antragsteller habe die ihm eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der Antragstellerin zu verfügen, missbraucht und ihr hierdurch einen Nachteil i.H.v. 60.000 Euro nebst Zinsen zugefügt. Die schriftliche Erklärung sei eindeutig als Zuwendung für die Antragstellerin (und nicht für den Antragsgegner) zu verstehen. Der Antragsgegner hätte daher das Geld insbesondere nicht für die Finanzierung des Hauses oder den Hausbau verwenden dürfen, da es auf diese Weise gemäß den §§ 946 ff. BGB durch Verbindung mit dem Eigentum an dem Haus in sein Eigentum überging. Es sei dem Antragsgegner jedoch gemäß § 1642 BGB verwehrt, das seiner Verwaltung unterliegende Geld für persönliche Zwecke zu gebrauchen.
Dies gelte auch, soweit der Verbrauch des Geldes zugunsten der Antragstellerin (Schaffung von Wohnraum) wirkte. Denn der Antragsgegner schuldete seiner Tochter einen angemessenen Lebensunterhalt gemäß den §§ 1601, 1603 BGB, den er aus seinen eigenen Mitteln und nicht aus den Mitteln seiner Tochter zu tragen hatte.
C. Kontext der Entscheidung
Die elterliche Vermögenssorge ist fremdnützige Verwaltung mit dem Ziel der Bewahrung des Kindesvermögens zum Nutzen des Kindes. Die Vermögenssorge beinhaltet nach § 1642 BGB als Teil der elterlichen Sorge nicht nur die Pflicht der Eltern, das ihrer Verwaltung unterliegende Geld ihrer Kinder nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, sondern verbietet zugleich, das Geld der Kinder für persönliche Zwecke zu gebrauchen (OLG Köln, Urt. v. 23.10.1996 – 2 U 20/96 – FamRZ 1997, 1351; OLG Bremen, Beschl. v. 03.12.2014 – 4 UF 112/14 – FamRZ 2015, 861).
Von einer Pflichtverletzung der Vermögenssorge ist auszugehen, wenn die Eltern aus dem Vermögen des Kindes Aufwendungen bestreiten, für die sie von dem Kind gemäß § 1648 BGB keinen Ersatz verlangen können. Ein Ersatzanspruch der Eltern gegenüber dem Kind besteht nicht für Aufwendungen im Rahmen der gegenüber dem Kind bestehenden Unterhaltsverpflichtung gemäß § 1601 BGB (OLG Bremen, Beschl. v. 03.12.2014 – 4 UF 112/14 – FamRZ 2015, 861).
Liegt eine Pflichtverletzung vor, kommt ein Schadensersatzanspruch des Kindes wegen der Verletzung der Vermögenssorgepflicht gemäß § 1664 BGB in Betracht. Dabei handelt es sich bei dieser Norm nach herrschender Meinung über den Wortlaut hinaus um eine Anspruchsgrundlage für einen selbstständigen Schadensersatzanspruch des Kindes gegen seine Eltern (OLG Köln, Urt. v. 23.10.1996 – 2 U 20/96 – FamRZ 1997, 1351).
D. Auswirkungen für die Praxis
Eltern schulden ihren Kindern einen angemessenen Lebensunterhalt, der von den Kindeseltern und nicht von den Kindern zu tragen ist. Dies gilt sehr weitreichend, z.B. auch für die Einrichtung eines Kinderzimmers, den Kauf von Geschenken und die Finanzierung von Urlaubsreisen (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.05.2015 – 5 UF 53/15 – MDR 2015, 897). All dies sind Leistungen, die im Rahmen der elterlichen Unterhaltspflicht zu erbringen sind. Ob sich die Kindeseltern hinsichtlich der von Vermögen der Kinder getätigten Anschaffungen für die Kinder einig waren oder nicht, ist dafür irrelevant.
Bei Verstößen besteht ein Schadensersatzanspruch des Kindes gemäß § 1664 BGB. Angesichts der gesamtschuldnerischen Haftung der Kindeseltern gemäß den §§ 1664 Abs. 2, 421 BGB kann sich das Kind zudem darauf beschränken, allein gegen einen Elternteil Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Das OLG Celle bejaht zudem einen auf einer unerlaubten Handlung i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, § 266 StGB beruhenden Schadensersatzanspruch. Der Antragsgegner habe die ihm aufgrund der Erklärung aus 2005 und Überweisung des Betrages eingeräumte Befugnis, über das seiner Tochter zugewendete Geldgeschenk zu verfügen, missbraucht und dadurch die gegenüber seiner Tochter bestehenden Vermögensbetreuungspflicht verletzt, indem er das Geld für eigene Zwecke und für Zwecke der Antragstellerin verbrauchte, statt es zinstragend und ordnungsgemäß anzulegen und zu verwahren. Insoweit bestand auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Antragstellerin i.S.d. § 256 ZPO daran, dass es sich bei der Forderung (auch) um eine solche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung i.S.d. § 850f Abs. 2 ZPO handele, da die Inanspruchnahme dieses vollstreckungsrechtlichen Gläubigerprivilegs voraussetze, dass dies im Vollstreckungstitel ausdrücklich festgestellt sei.
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