Nachfolgend ein Beitrag vom 22.5.2018 von Heindl, jurisPR-FamR 10/2018 Anm. 2
Leitsatz
Der Umstand, dass beide Ehegatten an der Niederschrift eines Testaments mitgewirkt haben, begründet für sich allein kein zwingendes Indiz für die Annahme eines Testierwillens bei beiden Ehegatten.
A. Problemstellung
Die Entscheidung des OLG München befasst sich mit dem Testierwillen eines Ehegatten, der ein mit „Ehegattentestament“ überschriebenes Testament zwar selbst geschrieben hatte, darin aber nach der Überzeugung des Oberlandesgerichts keine eigenen Verfügungen treffen, sondern gemeinsam mit dem todkranken Ehegatten dessen Nachlass regeln wollte.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Am 27.10.2009 hatte der Ehemann zunächst in einem Einzeltestament seine Ehefrau aus zweiter Ehe (die spätere Erblasserin) als Vorerbin und seine Kinder aus erster Ehe als Nacherben eingesetzt. Wenige Monate vor seinem Tod, am 15.01.2012, verfasste der dann schon schwerkranke Ehemann gemeinsam mit seiner Ehefrau ein mit „Ehegattentestament“ überschriebenes, von der Ehefrau geschriebenes und von beiden Ehegatten unterschriebenes Testament. Hierin „… setzt der zuerst Versterbende den überlebenden Ehepartner zum unbeschränkten Alleinerben ein. Nach dem Ableben des 2. Ehepartners sollen die Kinder als Schlusserben eingesetzt sein.“ Nach dem Tod des Ehemannes nahm die Ehefrau die Erbschaft zunächst mit schriftlicher Erklärung vom 31.07.2012 an, focht dann aber mit notariell beurkundeter Erklärung vom 05.11.2012 das Testament wegen Irrtums an und erklärte die Ausschlagung aus allen möglichen Berufungsgründen. Zur Begründung führte sie u.a. an, der Sohn des Ehemannes habe ihnen erklärt, das Testament vom 27.10.2009 sei formunwirksam, weil Ehegatten gemeinsam testieren müssten, und habe ihnen dann das neue Testament diktiert. Sie habe ihm Glauben geschenkt und nicht gewusst, dass sie damit auch über ihr eigenes Vermögen verfügte und an diese Verfügung gebunden war. Sie selbst setzte in einem späteren Testament vom 10.06.2014 ihre Geschwister zu Erben ein und verstarb am 05.09.2014.
Nach ihrem Tod beantragten die Geschwister der Erblasserin einen auf sie lautenden Erbschein, der vom Amtsgericht zunächst erteilt, nach gegenläufigem Antrag der Stiefkinder unter Hinweis auf die Wechselbezüglichkeit und der damit einhergehenden Bindungswirkung des Ehegattentestaments jedoch wieder eingezogen wurde. Eine Anfechtung schied nach Auffassung des Amtsgerichts schon deswegen aus, weil das Testament derart einfach gehalten sei, dass Verständnisschwierigkeiten nicht nachvollziehbar wären und ein Irrtum über die Bindungswirkung einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum darstelle.
Das OLG München hat hierzu klargestellt, dass Voraussetzung für eine wechselbezüglich angeordnete Schlusserbfolge zunächst die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments sei. Dies setze wiederum voraus, dass die Erblasserin in ihrer schriftlichen Niederschrift eine eigene Erklärung mit Testierwillen abgegeben habe, also dass die Erklärung auf dem ernsthaften Willen beruhe, ein Testament zu errichten und rechtsverbindliche Anordnungen auch über das Vermögen der Erblasserin nach ihrem Tode zu treffen. Denn selbst bei Vorliegen der formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB müsse das Vorliegen des Testierwillens außer Zweifel stehen. Hiervon war das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall gerade nicht überzeugt. Dagegen sprach nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Erklärung der Erblasserin selbst in der notariellen Anfechtungserklärung, die das Oberlandesgericht nach entsprechender Zeugeneinvernahme und aufgrund der familiären Situation der Erblasserin und ihres Ehemannes für plausibel erachtete.
Aus Sicht der Erblasserin habe zudem im Zeitpunkt der Testierung (2012) auch keine Notwendigkeit bestanden, über ihr Vermögen letztwillig zu verfügen. Die Überlegung, dass es der Erblasserin oder ihrem Ehemann darum ging, die Bindungswirkungen der Vorerbschaft zu beseitigen, hielt das Oberlandesgericht für fernliegend. Zudem spräche auch eine von der damals 90-jährigen Mutter der Erblasserin erwartete (Immobilien-) Erbschaft dagegen, dass die Erblasserin die Kinder des Ehemannes unter Ausschluss ihrer Geschwister zu Erben einsetzen wollte.
Das OLG München wies das Amtsgericht daher an, einen gleichlautenden Erbschein zu erteilen. Die Kosten des zweiten Erbscheins wurden vom Amtsgericht zunächst in Rechnung gestellt, dann aber wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 GNotKG niedergeschlagen.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung macht auf eine vermeintliche Selbstverständlichkeit aufmerksam: Auch bei gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten ist das Vorliegen des Testierwillens – und zwar für jeden Ehegatten gesondert – zu prüfen. Die Erfüllung der erleichterten formalen Voraussetzungen des § 2267 Satz 1 BGB – eigenhändige Errichtung durch einen und Unterzeichnung durch beide Ehegatten – mag zwar in der Regel dafür sprechen, dass ein Ehegatte auch für seine Person eine letztwillige Verfügung treffen wollte (Musielak in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2017, § 2267 Rn. 10, 14; Litzenburger in: BeckOK-BGB, 44. Edition, Stand: 01.11.2017, § 2267 Rn. 6), ist aber für sich gesehen nicht ausreichend. Es ist für jeden Ehegatten gesondert zu prüfen, ob dieser auch über sein eigenes Vermögen verfügen oder lediglich seine Billigung der letztwilligen Verfügungen des anderen Ehegatten zum Ausdruck bringen wollte (BayObLG, Beschl. v. 14.11.2003 – 1Z BR 106/02 zu den sog. „Ich-Testamenten“; BayObLG, Beschl. v. 09.06.1959 – BReg 1 Z 211/58; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.10.1954 – 2 W 194/54). Im Zweifel ist durch Auslegung nach § 133 BGB zu ermitteln, ob jeder Ehegatte auch inhaltlich jeweils über sein Vermögen testieren wollte.
D. Auswirkungen für die Praxis
In der Praxis existieren zwei Möglichkeiten: entweder die Ehegatten wollen jeweils (eigene) Verfügungen treffen, die denjenigen des anderen Ehegatten entsprechen, oder einer der mitwirkenden Ehegatten wollte durch seine Unterschrift lediglich seine Kenntnisnahme und sein Einverständnis mit den testamentarischen Verfügungen des anderen Ehegatten zum Ausdruck bringen. Bevor man bei gemeinschaftlichen Testamenten zur sonst oft entscheidenden Prüfung von Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung oder Anfechtungsmöglichkeiten kommt, sollte überprüft werden, ob überhaupt Verfügungen von beiden Ehegatten vorliegen. Geht es allein darum, das Vermögen eines Ehegatten steuern zu wollen, mag entgegen des äußeren Anscheins auch der Fall vorliegen, dass gar keine Verfügungen von beiden Ehegatten, sondern eben nur eine einseitige Verfügung vorliegt.
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