Nachfolgend ein Beitrag vom 20.11.2018 von Podewils, jurisPR-FamR 23/2018 Anm. 2
Leitsätze
1. Die Vorfrage, ob ein Rechtsgeschäft, dessen Vollzug in ein Register einzutragen ist, zu seiner Wirksamkeit einer Genehmigung bedarf, ist vom Registergericht selbstständig zu beantworten.
2. Die schenkweise Übertragung eines volleingezahlten Kommanditanteils an einer Vermögensverwaltungs-KG unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung in das Handelsregister ist lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.d. § 107 BGB, so dass die entsprechenden Angebote von einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen selbst angenommen werden können.
A. Problemstellung
Oftmals übertragen fürsorgliche Eltern ihren Kindern bereits frühzeitig nicht unerhebliche Vermögenswerte. Wenn es sich hierbei nicht um Bargeld, Schmuck o.ä. handelt und die Kinder noch minderjährig sind, stellt sich die Frage, ob die Schenkung als lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB anzusehen ist – oder ob es der Bestellung eines Ergänzungspflegers sowie ggf. einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Im März 2016 hatten die Eltern eine vermögensverwaltende KG gegründet. Die Mutter war zunächst mit einer Kommanditeinlage von 5.000 Euro beteiligt, die vollständig eingezahlt war.
Im Dezember 2017 wurde mit einer von den Eltern sowie den drei Kindern unterschriebenen Erklärung zum Handelsregister angemeldet, dass die Mutter schenkweise und aufschiebend bedingt durch die Eintragung im Handelsregister Kommanditanteile i.H.v. je 1.500 Euro auf die drei gemeinsamen Kinder übertragen habe und diese im Wege der Sonderrechtsnachfolge in die Gesellschaft eintreten sollten. Beigefügt war die Versicherung, dass der Mutter für die Übertragung der Anteile eine Abfindung für die aufgegebenen Rechte weder gewährt noch versprochen wurde.
Zwei der Kinder waren minderjährig (15 bzw. 16 Jahre). Daher erließ das Handelsregister eine Zwischenverfügung, mit der der Vollzug der begehrten Eintragung davon abhängig gemacht wurde, dass für die minderjährigen Kinder ein Ergänzungspfleger bestellt sowie die Übertragung familiengerichtlich genehmigt oder aber ein Negativattest des zuständigen Familiengerichts vorgelegt werde.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte vor dem OLG Köln Erfolg.
Die Übertragung der (voll eingezahlten) Kommanditbeteiligungen an die minderjährigen Kinder sei für diese lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB, weswegen sie selbst zur Abgabe der gegenständlichen Willenserklärungen befugt seien. Einer Vertretung durch Eltern bzw. Ergänzungspfleger bedürfe es daher nicht.
Nach § 171 Abs. 1 HGB erlösche die Haftung des Kommanditisten, soweit die Kommanditeinlage geleistet sei – und nicht wieder zurückgezahlt werde, § 172 Abs. 4 HGB. Ein etwaiger Rechtsnachfolger könne sich gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft auf die vom Rechtsvorgänger erbrachte Einlageleistung berufen, wenn durch einen Sonderrechtsnachfolgevermerk klargestellt werde, dass eine Anteilsübertragung stattgefunden habe (hierzu Schmidt in: MünchKomm HGB, 3. Aufl., 2012, § 173 Rn. 26 ff.).
Da diese Voraussetzungen – Volleinzahlung und Sonderrechtsnachfolgevermerk – vorliegend erfüllt waren, war nach Ansicht des OLG Köln eine persönliche Haftung der Minderjährigen ausgeschlossen. Das Gericht stellte insoweit ergänzend fest, dass eine persönliche Inanspruchnahme nach § 176 Abs. 2 HGB in der Zeit zwischen Eintritt und Eintragung als Kommanditisten in das Handelsregister durch die zulässige Verknüpfung über die aufschiebende Bedingung des Eintritts auf den Zeitpunkt der Eintragung vermieden werde. Auch lege der hier gegenständliche Gesellschaftsvertrag den Kommanditisten keine Nachschusspflichten o.ä. auf. Zwar seien auch die Kommanditisten an die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gebunden; diese sei aber jedem Rechtsverhältnis immanent und könne daher nur dann einem rechtlich vorteilhaften Geschäft entgegenstehen, wenn sich hieraus in concreto ein „mehr als nur unerhebliches Gefährdungspotential“ für das sonstige Vermögen des Minderjährigen ergebe (vgl. bereits BGH, Beschl. v. 25.11.2004 – V ZB 13/04 – NJW 2005, 415, 418). Hierfür bestünden vorliegend jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
C. Kontext der Entscheidung
Die hiesige Fragestellung wird in Rechtsprechung und Schrifttum durchaus kontrovers diskutiert.
Die wohl überwiegende Meinung bewertet – wie das OLG Köln – den unentgeltlichen Erwerb einer voll eingezahlten Kommanditbeteiligung unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung als ein für den erwerbenden Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft (vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 16.06.2008 – 2 W 38/08 – NZG 2008, 750; OLG Jena, Beschl. v. 22.03.2013 – 2 WF 26/13 – ZEV 2013, 521, 522; Ellenberger in: Palandt, BGB. 77. Aufl., 2018, § 107 Rn. 4; Grunewald in: MünchKomm HGB, 3. Aufl., 2012, § 161 Rn. 24; Klumpp in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 107 Rn. 59).
Die Gegenansicht betont demgegenüber die Risiken für den Minderjährigen aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sowie eines Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB bei Rückzahlung der Einlage (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.05.2008 – 20 W 123/08 – NZG 2008, 749; Haas/Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., 2014, § 173 Rn. 12; Wertenbruch in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., 2014, § 105 Rn. 220).
Die Diskussion hat ihren Ursprung darin, dass einerseits ein Geschäft grundsätzlich nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, wenn es rechtliche Nachteile für den Minderjährigen hat, selbst wenn diese durch gegenüberstehende Vorteile wirtschaftlich deutlich überkompensiert werden (vgl. Klumpp in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 107 Rn. 6 sowie J. Lange in: jurisPK-BGB, 8. Aufl., 2017, § 107 Rn. 13 m.w.N.). Andererseits könnte der Minderjährige bei strikter Anwendung von § 107 BGB fast gar keine Rechtsgeschäfte vornehmen, weil rechtliche Nachteile i.w.S. jedenfalls in aller Regel nicht gänzlich auszuschließen sind. Genannt seien etwa die mit jedem Vertragsverhältnis verbundenen Rücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten. Daher werden verschiedene Ansätze einer Eingrenzung diskutiert (eingehend Klumpp in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 107 Rn. 14 ff. m.w.N.). Namentlich wird vorgeschlagen, für die Anwendung von § 107 BGB lediglich die unmittelbar durch das Rechtsgeschäft ausgelösten Rechtsfolgen zu berücksichtigen (Lange in: jurisPK-BGB, 8. Aufl., 2017, § 107 Rn. 6 m.w.N.). Der BGH lässt Nachteile mit einem typischerweise ganz geringfügigen Gefährdungspotential außer Betracht, etwa entstehende öffentliche Lasten (vgl. BGH, Beschl. v. 25.11.2004 – V ZB 13/04 – NJW 2005, 415 zu Grundstücksabgaben; vgl. ferner Ellenberger in: Palandt, BGB. 77. Aufl., 2018, § 107 Rn. 3). Insgesamt gibt es daher etliche Grenzfälle, deren Lösung nicht durchweg konsistent scheint.
D. Auswirkungen für die Praxis
Auch für die vorliegende Konstellation bleibt angesichts der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung festzuhalten, dass die Rechtslage nicht abschließend geklärt ist.
Insgesamt erscheint die Entscheidung des OLG Köln aber richtig.
Ein Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB setzt die Rückzahlung der Einlage bzw. alternativ eine Gewinnentnahme bei durch Verlust gemindertem Kapitalanteil voraus und ist daher schon keine unmittelbare Folge der Gesellschafterstellung. Der Schutz des Minderjährigen setzt daher erst dann ein, wenn eine solche Handlung tatsächlich vorgenommen werden soll – sprich diesbezüglich könnte der Minderjährige dann nicht alleine handeln.
Was die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht betrifft, so ist zunächst festzuhalten, dass diese bei Kommanditisten grundsätzlich geringer ausgeprägt ist als bei den persönlich haftenden Gesellschaftern (vgl. Grunewald in: MünchKomm HGB, 3. Aufl., 2012, § 161 Rn. 30). Insbesondere aber können aus der Treuepflicht keine nicht im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Nachschusspflichten hergeleitet werden. Nach der „Sanieren oder ausscheiden“-Rechtsprechung können die Gesellschafter einer zahlungsunfähigen Gesellschaft unter bestimmten Umständen aufgrund der Treuepflicht vor die Wahl gestellt werden, entweder eine neue Beitragspflicht einzugehen oder aber aus der Gesellschaft auszuscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.2009 – II ZR 240/08 – BGHZ 183, 1; BGH, Urt. v. 25.01.2011 – II ZR 122/09 – NJW 2011, 1667; BGH, Urt. v. 09.06.2015 – II ZR 420/13 – NJW 2015, 2882; dazu Hippeli, jurisPR-HaGesR 10/2015 Anm. 4). Selbst wenn es zu einer solchen Krise der Gesellschaft kommen sollte, bleibt durch die Ausscheidensalternative der Schutz auch der minderjährigen Gesellschafter vor Nachschusspflichten und damit einer Beeinträchtigung ihres sonstigen Vermögens gewährleistet (so auch Grunewald in: MünchKomm HGB, 3. Aufl., 2012, § 161 Rn. 24).
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das OLG Köln klargestellt, dass die Prüfung, ob es der Bestellung eines Ergänzungspflegers sowie ggf. einer familiengerichtlichen Mitwirkung bedarf, und damit der materiell-rechtlichen Wirksamkeit des einzutragenden Gesellschafterwechsels als Vorfrage der begehrten Eintragung, in den Zuständigkeitsbereich des Registergerichts fällt. Das Registergericht kann diese Prüfung somit nicht an das Familiengericht „abschieben“.
Mühlhausen
Telefon: 03601 48 32 0
Leinefelde
Telefon: 03605 544 330
Gotha
Telefon: 03621 510 18 60 (RAe)
Telefon: 03621 510 18 00 (StB)
oder schreiben Sie hier eine Mail: