Nachfolgend ein Beitrag vom 20.12.2016 von Linnartz, jurisPR-FamR 26/2016 Anm. 5

Leitsätze

1. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO) gilt auch für eine Klage gegen den Erben und gegen den Testamentsvollstrecker, wenn eine vertragliche Verpflichtung des Erblassers geltend gemacht wird.
2. Eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts durch eine anderweitige Zuständigkeitswahl des Antragstellers im vorausgegangenen Mahnverfahren verloren gegangen ist.

A. Problemstellung

Das Urteil des OLG Karlsruhe setzt sich mit der Frage auseinander, an welchem Standort die Klage gegen den Erben und den Testamentsvollstrecker zu erheben ist, wenn eine vertragliche Verpflichtung des Erblassers geltend gemacht wird.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

In dem Verfahren ging es um die Entscheidung des OLG Karlsruhe, das angerufen war, eine Gerichtsstandsbestimmung vorzunehmen.
Antragsteller ist ein nicht rechtsfähiger Verein. Dieser Verein ist auch Träger des Altenheims, in dem die Erblasserin zuletzt wohnte. Antragsgegner in dem Verfahren ist die Erbin und der Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Verstorbenen. Während die Erbin ihren Wohnsitz im Bezirk des AG Lörrach hat, lag der Wohnsitz des Testamentsvollstreckers im Bezirk des AG Lahr.
Zunächst hatte der Antragsteller einen Mahnbescheid gegen die Erbin und gegen den Testamentsvollstrecker erwirkt. Die Erbin legte Widerspruch gegen den Mahnantrag ein. Das Verfahren wurde sodann an das AG Lörrach abgegeben, welches die Antragstellerin im Mahnantrag als zuständiges Gericht gewählt hatte. In diesem beim AG Lörrach anhängigen streitigen Verfahren begründete der Antragsteller seine Ansprüche gegen die Antragsgegner.
Gleichzeitig beantragte der Antragsteller beim OLG Karlsruhe für die Klage gegen die beiden Antragsgegner (Erbin und Testamentsvollstrecker) ein gemeinsam zuständiges Gericht zu bestimmen. Begründet wurde der Antrag damit, dass der allgemeine Gerichtsstand für die beiden Antragsgegner bei verschiedenen Amtsgerichten liege. Es sollte so eine gemeinsame Verhandlung der Klagen erreicht werden. Dieser Antrag wurde an das OLG Karlsruhe weitergeleitet.
Das OLG Karlsruhe hat den Antrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsamen zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht vor.
Zunächst sei zu sehen, dass das Oberlandesgericht in dieser Sache nach § 36 Abs. 2 ZPO zuständig gewesen sei. Der allgemeine Gerichtsstand der Erbin liege im Bezirk des AG Lörrach. Beim AG Lahr liege der allgemeine Gerichtsstand des Testamentsvollstreckers. Das OLG Karlsruhe sei für diese beiden Gericht das höhere gemeinschaftliche Gericht.
Eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO durch das OLG Karlsruhe sei nur dann möglich, wenn kein gemeinschaftlicher gemeinsamer Gerichtsstand begründet wäre. Dies sei im vorliegenden Verfahren jedoch nicht der Fall. Es sei ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand für die Klage des Antragstellers gegen die Erbin und den Testamentsvollstrecker gegeben. Dieser hätte gewählt werden können.
Gegenstand des Rechtsstreits seien Zahlungsansprüche aus einem Heimvertrag. Der Erfüllungsort für vertragliche Zahlungspflichten – auch der Erblasserin – ergebe sich aus § 269 Abs. 1 BGB.
Entscheidend sei somit, ob es einen solchen Erfüllungsort tatsächlich gebe. Welches der vertragliche Erfüllungsort sei, könne dann dahingestellt bleiben. Es komme als Erfüllungsort der Ort, an dem die vertragscharakteristischen Leistungen des Antragstellers erbracht wurden (Ort des Pflegeheims) in Betracht (Grüneberg in: Palandt, § 269 BGB Rn. 13, 14). Sehe man die vertragscharakteristischen Leistungen im Rahmen des § 269 Abs. 1 BGB für nicht maßgeblich an, sei der Wohnsitz der Erblasserin bei Abschluss des Heimvertrages maßgeblich. Ob die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt bereits im Pflegeheim wohnte oder ob ihr Wohnsitz zu diesem Zeitpunkt noch an einem anderen Ort gelegen habe, könne dahingestellt bleiben. In jedem Fall würde sich ein Erfüllungsort nach § 269 Abs. 1 BGB feststellen lassen.
Gemäß § 29 Abs. 1 ZPO sei der Erfüllungsort für die Zahlungsverpflichtung der Erblasserin auch der Erfüllungsort für die Verpflichtungen der Erbin und des Testamentsvollstreckers. Dadurch, dass Erbin und Testamentsvollstrecker an die Stelle der Erblasserin treten, ändere sich schließlich nicht der Charakter des abgeschlossenen Heimvertrages. Auch bei einer Gesamtrechtsfolge bleibe der Erfüllungsort für eine vertragliche Verpflichtung nach § 29 Abs. 1 ZPO maßgeblich (Vollkommer in: Zöller, ZPO, § 29 Rn. 7; BayObLG, Beschl. v. 04.08.2005 – 1Z AR 145/05).

C. Kontext der Entscheidung

Durch die Entscheidung des OLG Karlsruhe wird klargestellt, dass es dem Antragsteller nicht mehr zusteht, eines von mehreren zuständigen Gerichten (§ 35 ZPO) zu wählen, wenn der Antragsteller für die erhobene Klage bereits einen zuständigen Gerichtsstand (hier: AG Lörrach) gewählt hat.
Entscheidend ist, dass die Antragstellerin in ihrem Mahnantrag bereits das AG Lörrach bestimmt hatte. Diese Wahl ist für den Antragsteller bindend (Vollkommer in: Zöller, ZPO, § 35 Rn. 2). Daraus ergibt sich, dass nach der Zustellung des Mahnbescheides auch eine Korrektur durch eine erneute Ausübung des Wahlrechts nicht mehr möglich war (Vollkommer in: Zöller, ZPO, § 690 Rn. 16; BGH, Beschl. v. 19.01.1993 – X ARZ 845/92; BGH, Beschl. v. 21.01.1997 – X ARZ 1283/96; BGH, Beschl. v. 10.09.2002 – X ARZ 217/02; OLG Schleswig, Beschl. v. 02.06.2006 – 2 W 80/06). Das OLG Karlsruhe hat zu Recht auch darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die Möglichkeit hatte, in den Mahnanträgen sowohl gegen die Erben als auch gegen den Testamentsvollstrecker das für den Erfüllungsort identische zuständige Gericht anzugeben.
Das OLG Karlsruhe hat sodann noch darauf hingewiesen, dass es an die gesetzliche Regelung in § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO gebunden ist. Diese Bindung ändert sich auch nicht dadurch, dass sämtliche an dem Verfahren Beteiligte eine gemeinsame Verhandlung vor dem AG Lahr wünschen. Sofern eine Verhandlung vor dem AG Lahr hätte erreicht werden sollen, wäre von dem Antragsteller die Klage zurückzunehmen gewesen. Anschließend hätte er eine neue Klage gegen beide Antragsgegner zu dem von ihm präferierten AG Lahr erheben können.

D. Auswirkungen für die Praxis

Wie dieser Fall zeigt, kommt es in der Praxis häufiger vor, dass in Erbsachen mehrere Personen wegen desselben Anspruchs zu verklagen sind. In diesen Fällen ist natürlich § 27 ZPO, besonderer Gerichtsstand der Erbschaft, zu beachten, der gerade darauf abzielt, erbrechtliche Probleme an einem zentralen Gericht, nämlich dem, das dem Erblasser am nächsten ist, zu erheben. Dabei darf der Blick auf das „profane Recht“ aber nicht getrübt werden. Vor Klageerhebung bzw. der Beantragung eines Mahnbescheides ist der Ort, an dem die Klage geführt werden soll, sorgfältig zu prüfen.