Nachfolgend ein Beitrag vom 10.11.2015 von Schmid, jurisPR-FamR 23/2015 Anm. 2

Leitsatz

Bei der Ausschlagung einer Erbschaft handelt es sich um eine erbrechtlich, nicht aber sachenrechtlich zu qualifizierende Erklärung. Hieraus folgt, dass bei Eingreifen des österreichischen Erbstatuts die Ausschlagung der Erbschaft auch dann österreichischem Recht unterliegt, wenn in den Nachlass in Deutschland befindlicher Grundbesitz fällt und für den Eigentumserwerb des Erben hieran deutsches Recht (lex rei sitae) anzuwenden ist.

A. Problemstellung

Der Beschluss des OLG Köln beschäftigt sich nach bis zum 16.08.2015 anwendbarem Recht (ab dem Zeitpunkt gilt die EuErbVO) mit der Frage, welches Recht auf die Ausschlagung einer Erbschaft anzuwenden ist, wenn über unbewegliches Vermögen in Deutschland im Rahmen eines österreichisch-deutschen Sachverhalts, zu entscheiden ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der im Juni 2014 verstorbene ledige Erblasser war österreichischer Staatsangehöriger. Er hinterließ als einziges Kind einen nichtehelichen Sohn, den Beteiligten zu 1). Der Erblasser hatte 2011 vor einem österreichischen Notar ein vom Nachlassgericht Köln eröffnetes Testament errichtet, in welchem er die Beteiligte zu 3) als Alleinerbin und die Beteiligte zu 2) als Ersatzerbin eingesetzt hatte.Die Beteiligte zu 3) hat die Erbschaft mit einer am 14.08.2014 beim Nachlassgericht (Köln) eingegangenen notariell beglaubigten Erklärung ausgeschlagen. Die Beteiligte zu 2) hat mit Schreiben vom 16.09.2014 erklärt, „auf die Nachlassenschaft zu verzichten“. Das Nachlassgericht wies den anschließenden Antrag des Beteiligten zu 1) auf einen ihn als Alleinerben ausweisenden gegenständlich beschränkten Erbschein mit der Begründung zurück, dass für die Frage, wer zum Erben berufen sei, zwar österreichisches Erbrecht zur Anwendung komme, für die Frage des Übergangs des unbeweglichen Vermögens in Deutschland auf die Erben aber deutsches Recht gelte und eine formwirksame Ausschlagung der Beteiligten zu 2) gem. den §§ 1942, 1945 BGB nicht vorliege.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1). Er trägt insbesondere vor, dass sich die Frage, ob die Beteiligte zu 2) wirksam ausgeschlagen habe, allein nach österreichischem Recht richte. Andernfalls käme es zu einer Nachlassspaltung, da die Ausschlagung der Beteiligten zu 2) hinsichtlich des in Österreich belegenen Erbes wirksam, hinsichtlich des in Deutschland belegenen Vermögens aber unwirksam sei. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Köln zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat den Beschluss des Nachlassgerichts aufgehoben und festgestellt, dass der Beteiligte zu 1) Alleinerbe ist, da die Beteiligten zu 2) und 3) die Erbschaft wirksam ausgeschlagen haben: Da die EuErbVO gem. Art. 83 Abs. 1 EuErbVO noch nicht eingreife und eine Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB vom Erblasser nicht getroffen wurde, richte sich die Erbfolge gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Die Gesamtverweisung des Art. 25 Abs. 1 EGBGB nehme das gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB berufene österreichische Kollisionsrecht in Art. 28 Abs. 1 öIPRG an. Es komme deshalb für den gesamten Nachlass – auch für die Ausschlagung – österreichisches Erbrecht zur Anwendung. Es entspreche nämlich der allgemeinen Meinung, dass die Ausschlagung und Annahme einer Erbschaft erbrechtlich zu qualifizieren seien und dadurch dem Erbstatut unterlägen (BayObLG, Beschl. v. 11.03.1994 – 1Z BR 109/93 – BayObLGZ 1994, 40; Thorn in: Palandt, EGBGB, 74. Aufl. 2015, Art. 25 Rn. 10).
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 31 Abs. 1 öIPRG, wonach Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an körperlichen Sachen nach dem Recht des Staates zu beurteilen seien, in dem sich die Sachen bei Vollendung des dem Erwerb oder dem Verlust zugrunde liegenden Sachverhalts befänden. Nach § 32 öIPRG ist § 31 öIPRG für dingliche Rechte an einer unbeweglichen Sache auch dann maßgebend, wenn diese Rechte in den Anwendungsbereich einer anderen inländischen Verweisungsnorm (etwa dem Erbstatut) fallen. Das bedeutet, dass es bei Anwendung österreichischen Erbrechts bezüglich des Eigentumserwerbs eines Grundstücks in Deutschland zu einer partiellen Rückverweisung auf das deutsche Recht kommt, die das deutsche Recht gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB auch annimmt (vgl.: OLG Köln, Urt. v. 25.03.1997 – 14 UF 186/96 – FamRZ 1997, 1176; Hausmann in: Staudinger, EGBGB, 2013, Anh. zu Art. 4 Rn. 296, 311 „Österreich“). Diese partielle Rückverweisung betreffe nach den Ausführungen des Gerichts allerdings nur die Frage, ob sich der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach § 1922 Abs. 1 BGB richte (Vonselbsterwerb) oder ob es zusätzlich eines Einantwortungsbeschlusses nach österreichischen Verlassenschaftsrecht bedürfe. Die beiden Ausschlagungserklärungen der Beteiligten zu 2) und 3) seien nach österreichischem Recht wirksam. Insbesondere die Ausschlagungsfrist sei gewahrt, weil eine Frist nicht gesetzt wurde und die Frist daher noch gar nicht zu laufen begonnen hatte,§ 157 österr. AußStrG (Außerstreitgesetz). Da die eingesetzten Erbinnen beide weggefallen seien, sei der Beteiligte zu 1) als einziges Kind gesetzlicher Alleinerbe.
C. Kontext der Entscheidung
Die vom OLG Köln verworfene Rechtansicht des Nachlassgerichts, dass es sich bei der Ausschlagung um eine sachenrechtlich zu qualifizierende Regelung handelt, ist wohl nicht abwegig. Denn die Ausschlagung hebt die zunächst erfolgte dingliche Zuordnung an den (vorläufigen) Erben rückwirkend wieder auf, hat also gerade dingliche Wirkung. Einen derartigen „Mechanismus“ kennt das österreichische Recht grundsätzlich nicht, da der Erbe erst aufgrund des Einantwortungsbeschlusses Eigentümer wird, § 797 öABGB. Der Nachlass ist in Österreich bis zu einer Entscheidung durch das Gericht eine juristische Person, die sowohl aktiv- als auch passivlegitimiert ist („ruhender Nachlass“).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung hat insoweit nur eingeschränkte Auswirkung auf die Praxis, als seit dem 17.08.2015 in derartigen Fällen die EuErbVO anzuwenden ist. Danach ist der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers für das anwendbare Recht auschlaggebend. Um zur Anwendung österreichischem Erbrechts zu gelangen muss ein in Deutschland ansässiger österreichischer Erblasser die Anwendung österreichischen Erbrechts ausdrücklich gewählt haben, Art. 22 EuErbVO.
Gem. Art. 23 e) EuErbVO unterfällt die Ausschlagung dem Erbstatut. Bei Anwendung deutschen Rechts wäre in vorliegendem Sachverhalt die Ausschlagung der Beteiligten zu 3), gem. den §§ 1945, 125 BGB formunwirksam gewesen, so dass diese Alleinerbin geworden wäre. Auch die in Art. 13 EuErbVO geschaffene Erleichterung für denjenigen, der ausschlagen will, hätte nichts geändert. Zwar kann hiernach die Ausschlagungserklärung – als Ausnahme vom Gleichlaufprinzip – auch beim Heimatgericht des Erklärenden abgegeben werden, hier also eventuell in Österreich. Die sonstigen die Ausschlagung betreffenden Regelungen – wie Frist oder Form – richten sich jedoch auch jetzt nach dem anzuwendenden Erbstatut. Allerdings wäre in diesem Fall die Ausschlagung nach Art. 28 EuErbVO wirksam gewesen, wenn die Ausschlagende ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt hätte. Denn nach Art. 28 EuErbVO genügt für die Ausschlagung die Form, die nach dem nach Art. 21, 22 EuErbVO anzuwendenden Recht (hier deutsches Recht) oder nach demjenigen Recht, das in dem Staate gilt, in dem der Erklärende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (hier österreichisches Recht) anzuwenden ist.