Nachfolgend ein Beitrag vom 26.9.2017 von Adamus, jurisPR-FamR 19/2017 Anm. 7

Leitsätze

1. Stirbt in einem Abstammungsverfahren, das sowohl die Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters als auch die Feststellung der Vaterschaft des mutmaßlichen leiblichen Vaters zum Gegenstand hat, der festzustellende Vater nach Erlass, aber vor Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung, läuft die Rechtsmittelfrist in entsprechender Anwendung von §§ 239, 249 ZPO nicht weiter.
2. Die Erben des festzustellenden Vaters sind in diesem Fall – soweit es um die Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters geht – nicht beschwerdebefugt. Die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600b BGB dient allein dem Schutz bestehender sozial-familiärer Beziehungen und soll nicht eine dritte Person davor schützen, als leiblicher Vater festgestellt zu werden.
3. Auch in einem Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft steht den nächsten Angehörigen des festzustellenden Vaters nicht das Recht zu, beim Tod eines Beteiligten die Fortsetzung des Verfahrens nach § 181 Satz 1 FamFG zu verlangen (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 28.07.2015 – XII ZB 671/14 – FamRZ 2015, 1787).

A. Problemstellung

Können die Erben eines Beteiligten des Abstammungsverfahrens die Fortsetzung des Verfahrens nach § 181 FamFG verlangen? Werden die Erben Beteiligte des Verfahrens und steht Ihnen eine Beschwerdebefugnis zu?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Mutter des Antragstellers war zum Zeitpunkt der Geburt mit D. verheiratet. Während der Empfängniszeit hatte sie auch mit J. Geschlechtsverkehr. Nachdem dies dem Antragsteller bekannt wurde, nahm er 2013 Kontakt zu J. auf. 2015 kamen der Antragsteller, D. und J. überein, ein Abstammungsgutachten zur Klärung einzuholen. Das Gutachten vom 20.08.2015 kam zu dem Ergebnis, dass J. zu 99,99999% der Vater des Antragstellers ist.
Im Einverständnis von D. und J. focht der Antragsteller die rechtliche Vaterschaft des D. an. In der mündlichen Verhandlung wurde weiterhin die Feststellung der Vaterschaft des J. beantragt. Die weiteren Beteiligten sind diesen Anträgen nicht entgegengetreten. Zur Frage, ob die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB abgelaufen gewesen war, wurde verhandelt.
Das Amtsgericht stellte mit Beschluss vom 06.07.2016 fest, dass D. nicht der Vater des Antragstellers ist. Die Frist des § 1600b BGB sei gewahrt, da der Antragsteller erst im Jahr 2015 Klarheit über die Vaterschaft des J. erlangt habe. Unter Ziffer 2 stellte das Amtsgericht fest, dass J. der Vater des Antragstellers ist. Der Beschluss ist den Beteiligten am 08.07.2016 zugestellt worden. Am 14.07.2016 ist J., während der laufenden Rechtsmittelfrist, verstorben. Mit der Beschwerde wandten sich die Erben des J. gegen beide Feststellungen des Amtsgerichts.
Das OLG Karlsruhe hat die Beschwerde gegen die Vaterschaftsanfechtung als unzulässig und soweit die Beschwerde die Feststellung der Vaterschaft des J. zum Gegenstand hat, auch als in der Hauptsache erledigt angesehen.
Der Beschluss des Amtsgerichts sei nicht in Rechtskraft erwachsen. Würde die Rechtsmittelfrist weiterlaufen, könnte dies dazu führen, dass die rechtsgestaltende Entscheidung mit Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig würde, aber diese Wirkung durch die einfache Erklärung eines Beteiligten nach § 181 FamFG, das Verfahren fortsetzen zu wollen, wieder beseitigt werden könnten, denn die Frist des § 181 FamFG beginne erst mit dem entsprechenden Hinweis des Gerichts. Vorliegend handele es sich um zwei Abstammungsverfahren, die gemäß § 179 Abs. 1 FamFG miteinander verbunden wurden. Die Beschwerdeführer seien, soweit es um die Anfechtung der Vaterschaft geht, nicht beschwerdebefugt. Gemäß § 59 Abs. 1 FamFG setze die Beschwerdebefugnis eine unmittelbare Betroffenheit voraus, d.h. eine direkte Auswirkung auf eigene materielle, nach öffentlichem oder privatem Recht geschützte Rechtspositionen. Die Entscheidung, dass D. nicht der Vater des Antragstellers sei, könne die Beschwerdeführer nicht in ihren Rechten beeinträchtigen. Sie betreffe allein die verwandtschaftlichen Beziehungen des Antragstellers zu D. Die Beschwerdeführer könnten sich als Erben des J. auch nicht darauf berufen, dass die Frist des § 1600b BGB bereits abgelaufen gewesen sei. Diese Anfechtungsfrist diene allein dem Schutz bestehender sozial-familiärer Beziehungen und soll nicht eine dritte Person davor schützen, als leiblicher Vater festgestellt zu werden.
Soweit es um die Feststellung des J. als Vater gehe, sei das Verfahren in der Hauptsache erledigt. Im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit führe eine nach Erlass der angegriffenen Entscheidung eingetretene Erledigung der Hauptsache zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels, weil ein Rechtschutzbedürfnis des Beteiligten nach Erledigung des Verfahrensgegenstandes nicht mehr gegeben sei (BGH, Beschl. v. 08.06.2011 – XII ZB 245/10 Rn. 7 – FamRZ 2011, 1390 m.w.N). Einen Antrag auf Fortführung nach § 181 FamFG habe keiner der am Verfahren beteiligten fristgerecht gestellt. Die Erben des J. haben zwar eine Fortsetzung des Verfahrens verlangt; sie seien hierzu jedoch nicht befugt.

C. Kontext der Entscheidung

Das OLG Karlsruhe schließt an dem Beschluss des BGH vom 28.07.2015 (XII ZB 671/14 – FamRZ 2015, 1787) an. Der BGH hatte für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren entschieden, dass den nächsten Angehörigen des verstorbenen Mannes nicht das Recht zustehe, die Fortsetzung des Verfahrens (§ 181 FamFG) zu verlangen.
Das OLG Karlsruhe hat diese Rechtsprechung nunmehr auf die Vaterschaftsfeststellungsklage erweitert. Die nächsten Verwandten als nach § 181 FamFG antragsberechtigt anzusehen hieße, dass etwa die Eltern des Mannes auch dann den Antrag stellen könnten, wenn es gegen seinen Willen zu dem Abstammungsverfahren gekommen sei. Letztlich handele es sich bei den auf den Status als Vater bezogenen Gestaltungsrechten des Mannes wie das der Anerkennung und der Anfechtung der Vaterschaft ebenso wie bei den hierzu geschaffenen Verfahrensrechten um höchstpersönliche Rechtspositionen, die nicht auf die Erben übergehen und auch nicht von nächsten Verwandten geltend gemacht werden können (BGH, Beschl. v. 28.07.2015 – XII ZB 671/14 Rn. 38 m.w.N ). Diese Ausführungen beanspruchen Geltung für alle Abstammungsverfahren i.S.d. § 169 FamFG. Auch subjektive Rechte der Erben, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht, machen es nicht erforderlich, diesen eine Befugnis zur Fortführung des Verfahrens einzuräumen. Zwar sind die nächsten Verwandten ggf. in ihrer erb- oder unterhaltsrechtlichen Stellung betroffen. Dabei handelt es sich aber jeweils um eine unvermeidliche Reflexwirkung der verwandtschaftlichen Beziehung zum Verstorbenen (BGH, Beschl. v. 27.04.2005 – XII ZB 184/02 -BGHZ 163, 37) und lediglich um eine Betroffenheit in wirtschaftlichen Interessen. Weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit vermitteln jedoch einen Schutz vor den wirtschaftlichen Folgen der Verwandtschaft, die auf verfassungsgemäßen Normen beruhen und nicht zu verfassungswidrigen Ergebnissen führen (BGH, Urt. v. 28.01.2015 – XII ZR 201/13 – FamRZ 2015, 642 Rn. 56 m.w.N).
An dem Statusverfahren sind nur die Personen beteiligt, die in § 172 FamFG genannt sind (Vater, Mutter, Kind) und „Mussbeteiligte“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), die unmittelbar in ihren Rechten betroffen sind. Die unmittelbare Betroffenheit entspricht dabei dem § 59 Abs. 1 FamFG „in den Rechten betroffen sein“ zur Beschwerdebefugnis. Das OLG Karlsruhe hat zu Recht darauf abgehoben, dass die Ausschlussfristen des § 1600b BGB kein subjektives Recht der Erben beeinträchtigt.
Der Antragsteller hatte es nach dem Hinweis des Gerichts gemäß § 181 Satz 1 FamFG versäumt, den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens rechtzeitig zu stellen. Dies hat zur Folge, dass das Verfahren trotz des Beschlusses in erster Instanz in der Hauptsache erledigt und der Beschluss ipso iure wirkungslos ist. Die Erledigung des Verfahrens wurde vorliegend aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Unklarheiten durch (insoweit deklaratorischen) Beschluss positiv festgestellt.

D. Auswirkungen für die Praxis

In Abstammungsverfahren sind nur unmittelbar Betroffene Beteiligte des Verfahrens (§ 172 FamFG). Die Erben oder nahe Angehörige eines Verstorbenen sind, anders als vor der Reform (§ 55b FGG, § 1600e BGB), nur ausnahmsweise an Abstammungsverfahren zu beteiligen, da sie nicht in ihren persönlichen Rechten unmittelbar betroffen sind. In der Folge gelten sie auch nach dem Tod eines Beteiligten nicht als Beteiligte i.S.d. § 181 FamFG und sind auch nicht beschwerdebefugt i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG. Selbst in einem postmortalen Vaterschaftsfeststellungsverfahren ist die Ehefrau des Verstorbenen grundsätzlich nicht beschwerdeberechtigt, auch wenn sie im erstinstanzlichen Verfahren (fälschlicherweise) beteiligt worden war (BGH, Beschl. v. 18.01.2017 – XII ZB 544/15). Ausnahmen sind denkbar, wenn der Angehörige als Beteiligter behandelt wurde und Kosten tragen soll (OLG Celle, Beschl. v. 02.09.2016 – 15 UF 77/16) oder der Angehörige die Einwilligung zur Exhumierung verweigert (BGH, Beschl. v. 29.10.2014 – XII ZB 20/14).

Erledigung eines Abstammungsverfahrens nach Tod eines Beteiligten und Beschwerdebefugnis der Erben
Denise HübenthalRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Familienrecht
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