Nachfolgend ein Beitrag vom 20.3.2017 von Schießl, jurisPR-SteuerR 12/2017 Anm. 2

Leitsätze

1. Die Regelung des § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV ist auch im Fall einer mittelbaren Grundstücksschenkung anzuwenden.
2. Wird dem Steuerpflichtigen eine der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dienende Eigentumswohnung (einschließlich Inventar) im Wege der mittelbaren Grundstücksschenkung zugewendet, kann er mithin nach § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV AfA auf die vom Schenker getragenen Anschaffungskosten vornehmen.

A. Problemstellung

Eine mittelbare Grundstücksschenkung liegt vor, wenn der Schenker dem Bedachten den zum Erwerb eines bestimmten Grundstücks vorgesehenen Geldbetrag zur Verfügung stellt. Wird dem Beschenkten eine der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (VuV) dienende Eigentumswohnung samt Inventar im Wege der mittelbaren Grundstücksschenkung zugewendet, stellt sich die aus ertragsteuerlicher Sicht bislang noch nicht höchstrichterlich entschiedene Frage, ob er Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die vom Schenker getragenen Gebäudeanschaffungskosten vornehmen kann, obwohl der Beschenkte sie wirtschaftlich nicht getragen hat.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 01.08.2011 eine Eigentumswohnung samt Inventar zum Gesamtkaufpreis von 475.000 Euro; hiervon entfiel ein Teilbetrag i.H.v. 421.500 Euro auf das erworbene Wohnungs- und Teileigentum. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnung erhielt die Klägerin schenkweise Geldbeträge i.H.v. 400.000 Euro von ihrem Vater sowie 200.000 Euro von ihrer Mutter zugewandt. Die Schenkungen standen unter der Auflage, dass die Geldbeträge „ausschließlich dem Erwerb der Eigentumswohnung“ sowie ihrer Renovierung und Modernisierung zu dienen bestimmt waren. Vor diesem Hintergrund gehen die Beteiligten des Rechtsstreits übereinstimmend davon aus, dass Gegenstand der Schenkungen nicht der jeweils zugewendete Geldbetrag, sondern die Eigentumswohnung gewesen sei (sog. mittelbare Grundstücksschenkung).
Die Klägerin nutzte die erworbene Eigentumswohnung im Streitjahr (2011) zur Erzielung von Einkünften aus VuV. Im Rahmen ihrer Überschussermittlung setzte die Klägerin AfA i.H.v. 2.811 Euro für das Gebäude und 1.495 Euro für das erworbene bewegliche Inventar als Werbungskosten an. Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachte AfA nicht; in den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr führte das Finanzamt hierzu aus, dass die Bemessungsgrundlage für die AfA um die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung geschenkten Geldbeträge i.H.v. insgesamt 600.000 Euro zu kürzen sei. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht hatte der Klage stattgegeben (FG Hannover, Urt. v. 17.03.2015 – 13 K 156/13). Es vertrat die Auffassung, das Finanzamt habe die von der Klägerin geltend gemachten AfA-Beträge zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus VuV berücksichtigt. Die Vorschrift des § 11d Abs. 1 EStDV sei auch im Falle der mittelbaren Grundstücksschenkung anwendbar. Die der Klägerin zustehenden AfA-Beträge richteten sich mithin nach den fortgeführten Anschaffungskosten ihrer Eltern. Unerheblich sei, dass die Eltern der Klägerin selbst keine AfA-Beträge geltend gemacht hätten.
Hiergegen richtete sich die Revision des Finanzamtes. Es vertrat die Ansicht, dass die Vorschrift des § 11d Abs. 1 EStDV im Falle der mittelbaren Grundstücksschenkung nicht anzuwenden sei. Auch wenn die Eltern der Klägerin im Ergebnis die Anschaffungskosten der Eigentumswohnung getragen hätten, habe ihnen die für einen „Rechtsvorgänger“ notwendige Verfügungsgewalt über das Grundstück nie zugestanden. Zwar führe dieses Ergebnis zu einer unterschiedlichen Behandlung von unmittelbaren Grundstücksschenkungen (bei denen Absetzungen gemäß § 11d Abs. 1 EStDV möglich sind) und mittelbaren Grundstücksschenkungen (bei denen Absetzungen gemäß § 11d Abs. 1 EStDV nach Auffassung des Finanzamtes nicht möglich sind), jedoch könnte einer dahingehenden Ungleichbehandlung nicht durch die vom Finanzgericht vorgenommene Auslegung der maßgeblichen Vorschrift, sondern allenfalls durch Billigkeitsmaßnahmen begegnet werden.
Der BFH hat die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht habe zu Recht die von der Klägerin geltend gemachten AfA-Beträge als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus VuV berücksichtigt.
I. Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen seien als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei der Einkunftsart VuV abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst seien (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). Anschaffungskosten des Vermietungsobjekts seien nach den §§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. 7 EStG als Werbungskosten im Wege der AfA abzusetzen, die bei im Privatvermögen befindlichen und zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden, welche nach dem 31.12.1924 fertiggestellt worden seien, jährlich 2% der Anschaffungs- (oder Herstellungskosten) betrage (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG). Auch die Anschaffungskosten von mitvermieteten, im Vermietungsobjekt befindlichen Einrichtungsgegenständen seien – nach Maßgabe ihrer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer – im Wege der AfA abzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG).
Bei unentgeltlich erworbenen Wirtschaftsgütern des Privatvermögens habe der Steuerpflichtige keine Anschaffungskosten getragen. Seine AfA bemesse sich gemäß § 11d Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStDV nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Rechtsvorgängers und nach dem Hundertsatz, der für den Rechtsvorgänger maßgebend sein würde, wenn er noch Eigentümer des Wirtschaftsguts wäre, und zwar nur bis zur Höhe des vom Rechtsvorgänger noch nicht ausgeschöpften AfA-Volumens.
II. Die zwischen der Klägerin und ihren Eltern vollzogene mittelbare Grundstücksschenkung sei nicht nur schenkungsteuerrechtlich, sondern auch einkommensteuerrechtlich zu beachten. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) sei indes der Vorgang, mit dem jemand ein Grundstück, das er verschenken wolle, sich zunächst selbst übertragen lasse, um es sodann an den zu Beschenkenden weiter zu übereignen, vergleichbar (und damit einkommensteuerrechtlich in gleicher Weise zu behandeln) wie der Vorgang, in dem der Schenker dem Beschenkten das Grundstück dadurch verschaffe, dass er es für eigene Rechnung unmittelbar an den Beschenkten übereignen lasse. Denn nicht nur bei der unmittelbaren, sondern auch bei der mittelbaren Grundstücksschenkung trage der Schenker die Anschaffungskosten des Grundstücks als derjenige, für dessen Rechnung das Grundstück auf den Beschenkten übertragen wird (so ausdrücklich BFH, Urt. v. 15.05.1990 – IX R 21/86 – BStBl II 1992, 67, zu § 7b EStG).
Sei aber der Schenker mit Anschaffungskosten belastet, könne es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht von Bedeutung sein, ob er dem Beschenkten das Grundstück selbst oder einen für die Anschaffung des Grundstücks erforderlichen (zweckgebundenen) Geldbetrag zuwendet. Vor diesem Hintergrund sei es mit Blick auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO geboten, die Regelung des § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV auch im Fall der mittelbaren Grundstücksschenkung anzuwenden (vgl. auch FG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2002 – 16 K 4405/98 E – EFG 2003, 603, betreffend eine Sachverhaltsgestaltung, in der dem Steuerpflichtigen lediglich ein Teil der Herstellungskosten für eine später vermietete Eigentumswohnung im Wege einer mittelbaren Grundstücksschenkung zugewendet worden ist).
III. Die Sache sei spruchreif. Die Klägerin könne die geltend gemachte AfA sowohl für das Gebäude als auch für das erworbene bewegliche Inventar im Rahmen ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten ansetzen. Die Höhe der AfA-Beträge sei zwischen den Beteiligten ebenso wenig streitig wie der Umstand, dass die Klägerin mit Einkunftserzielungsabsicht gehandelt hat.

C. Kontext der Entscheidung

I. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungskosten zählen, bestimmt sich für die steuerrechtliche Beurteilung und insbesondere auch für Einkünfte aus VuV nach § 255 Abs. 1 HGB (BFH, Urt. v. 09.07.2013 – IX R 43/11 – BStBl II 2014, 878 m. Anm. Jachmann, jurisPR-SteuerR 8/2014 Anm. 3). Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Anschaffungskosten alle Aufwendungen, die u.a. geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn mithin von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen (BFH, Urt. v. 02.09.2014 – IX R 50/13 – BStBl II 2015, 260 m. Anm. Jachmann, jurisPR-SteuerR 18/2015 Anm. 2). Wie sich aus den maßgeblichen Bestimmungen des § 7 Abs. 1 EStG („Verteilung dieser Kosten“) ergibt, setzt die Möglichkeit der Vornahme von AfA auf entstandene Anschaffungskosten grundsätzlich voraus, dass der Steuerpflichtige die von ihm geltend gemachten Aufwendungen auch getragen hat (vgl. BFH, Beschl. v. 23.08.1999 – GrS 2/97 unter C.IV.1.b – BStBl II 1999, 782; BFH, Urt. v. 04.02.2016 – IV R 46/12 – BStBl II 2016, 607, zu § 7 Abs. 6 EStG; BFH, Urt. v. 23.04.2009 – IV R 9/06 – BStBl II 2010, 664, zu § 6b EStG).
II. Für unentgeltlich erworbene Wirtschaftsgüter des Privatvermögens regelt die Vorschrift des § 11d Abs. 1 EStDV die Bemessungsgrundlage und über den Hundertsatz den Abzugszeitraum; die Bestimmung setzt aber, weil sie keine selbstständige Anspruchsgrundlage für den Abzug von AfA ist, die Berechtigung des Rechtsnachfolgers zum Abzug der AfA und damit grundsätzlich auch die Übertragung des Eigentums an dem Wirtschaftsgut vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger voraus (BFH, Beschl. v. 23.08.1999 – GrS 2/97 unter C.IV.1.c dd – BStBl II 1999, 782). Mit dem Besprechungsteil erweitert der BFH den Anwendungsbereich des § 11d Abs. 1 EStDV um den Fall einer mittelbaren Grundstücksschenkung. Für die Inanspruchnahme von AfA nach § 11d Abs. 1 EStDV muss der Rechtsnachfolger weiterhin in seiner Person den objektiven und subjektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklichen (BFH, Urt. v. 07.02.2012 – IX R 27/10 – BFH/NV 2012, 736 m. Anm. Bartone, jurisPR-SteuerR 34/2012 Anm. 3). Mögliche, den Abzug von AfA ausschließende Gründe, welche ausschließlich in der Person des Rechtsvorgängers liegen, berühren die AfA-Berechtigung des Rechtsnachfolgers nach § 11d EStDV indes nicht (BFH, Urt. v. 04.09.1990 – IX R 197/87 – BStBl II 1992, 69).
III. Ein unentgeltlicher Erwerb liegt auch im Falle einer sog. mittelbaren Grundstücksschenkung vor. Die von der Rechtsprechung im Schenkungsteuerrecht zur mittelbaren Grundstücksschenkung entwickelten Grundsätze gelten auch für das Einkommensteuerrecht (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 29.07.1998 – X R 50/95 – BFH/NV 1999, 301, zu § 10e EStG).
IV. Mit seiner im Besprechungsurteil vertretenen Rechtsauffassung setzt sich der IX. Senat des BFH nicht in Widerspruch zum Beschluss des Großen Senats (BFH, Beschl. v. 23.08.1999 – GrS 2/97 – BStBl II 1999, 782). Der Große Senat des BFH hat lediglich eine analoge Anwendung des § 11d EStDV auf die Fälle einer Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung abgelehnt; dies schließt eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift auf die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung nicht aus. Zwar findet bei der mittelbaren Grundstücksschenkung eine direkte Übertragung des Eigentums am Grundstück vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger nicht statt; da das Steuerrecht jedoch maßgeblich auf den wirtschaftlichen Gehalt des zugrunde liegenden Sachverhalts abstellt, trägt der Wortlaut des § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV auch eine Auslegung dahin, dass sich die AfA auch dann nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers bemessen, wenn lediglich unter Zugrundelegung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise davon auszugehen ist, dass eine Übertragung des Eigentums an dem Wirtschaftsgut vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger stattgefunden hat.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der BFH hat ertragsteuerlich erstmals entschieden, dass im Fall der mittelbaren Grundstücksschenkung die Berechtigung zur Vornahme der AfA dem Bedachten zusteht. Wird diesem eine der Erzielung von Einnahmen aus VuV dienende Eigentumswohnung einschließlich Inventar im Wege der mittelbaren Grundstücksschenkung zugewendet, kann er AfA auf die vom Schenker getragenen Gebäudeanschaffungskosten und das erworbene bewegliche Inventar vornehmen.
Ein solches Ergebnis ist sachgerecht, weil kein Grund für eine Ungleichbehandlung nachfolgender Fallgestaltungen erkennbar ist, bei unmittelbarer Schenkung einer vermieteten Eigentumswohnung die AfA-Berechtigung des Beschenkten gemäß § 11d Abs. 1 EStDV i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG nach den fortgeführten Gebäudeanschaffungskosten und bei originärem Erwerb mit geschenkten Mitteln die AfA-Berechtigung gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG nach den Gebäudeanschaffungskosten zuzulassen, allerdings bei der bei wirtschaftlicher Betrachtung vergleichbaren mittelbaren Grundstücksschenkung keine AfA-Berechtigung zu gewähren.