Nachfolgend ein Beitrag vom 17.1.2017 von Geiger, jurisPR-FamR 1/2017 Anm. 2

Orientierungssatz

Einzelfallentscheidung zur Zulässigkeit einer Nebentätigkeit eines Privatkundenbetreuers einer Bank als Testamentsvollstrecker.

A. Problemstellung

Die Entscheidung befasst sich mit der arbeitsvertraglichen Zulassung einer Nebentätigkeit als Testamentsvollstrecker für einen als Privatkundenbetreuer tätigen Bankangestellten im einstweiligen Rechtsschutz.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Ein 63 Jahre alter Angestellter einer Bank war von einer Kundin, für die er im Zeitraum vor ihrem Tod als Privatkundenbetreuer tätig war, durch letztwillige Verfügung zum Ersatztestamentsvollstrecker bestimmt worden. Als Vergütung waren 5% des u.a. zwei werthaltige Immobilien umfassenden Nachlasses, im Ergebnis ein Betrag von ca. 75.000 Euro bestimmt worden. Nachdem der Erstbenannte abgelehnt hatte, hatte ihn das Nachlassgericht unter Fristsetzung zur Erklärung über die Annahme des Amtes aufgefordert. Der für das Arbeitsverhältnis maßgebende Formularvertrag enthielt hier folgende Klausel:
„Die Übernahme einer entgeltlichen Nebentätigkeit bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Bank. Gleiches gilt auch für eine unentgeltliche Nebentätigkeit, sofern diese geeignet ist, die Arbeitsleistung für die Bank zu mindern.“
Der Bankangestellte wandte sich daraufhin an seinen Arbeitgeber, der ihm die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes untersagte. Er berief sich dabei auf Gefahren von Interessenkonflikten, einer zu großen Inanspruchnahme der Arbeitskraft und von Haftungsrisiken sowie drohenden negativen Auswirkungen für die Reputation der Bank. Ferner machte er geltend, der Bankangestellte habe bei einem die Erblasserin betreffenden Beratungsprotokoll ein falsches Datum angegeben.
Der Angestellte beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die sicherstellen sollte, dass er ohne Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten das Amt des Testamentsvollstreckers annehmen dürfe.
Mit diesem Begehren hatte der Verfügungskläger Erfolg.
Das ArbG Lörrach hat den Verfügungsgrund unmittelbar mit Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG begründet. Grundsätzlich könne demnach ein Arbeitnehmer mit seiner Freizeit nach Belieben verfahren, also auch einer entgeltlichen Tätigkeit nachgehen. Die Drittwirkung der Grundrechte habe zur Folge, dass nur bei Vorliegen vorrangiger Arbeitgeberinteressen eine Untersagung der Nebentätigkeit zulässig sein könne, die Klausel des Arbeitsvertrages unabhängig von ihrer Formulierung im Lichte dieser Drittwirkung ausgelegt werden müsse und keinesfalls dazu führen dürfe, dass aus einer Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt werde.
Daraus folge, dass diese vorrangigen Interessen konkret gegeben, konkret im Prozess vorgetragen und auch glaubhaft gemacht werden müssten. Im Vorbringen der Verfügungsbeklagten sehe das Gericht nur abstrakte Erwägungen, Befürchtungen und Unterstellungen. Genau dies sei unbehelflich, ein Verbot zu rechtfertigen.
Speziell hinsichtlich der Gefahr von Interessenkonflikten und der Besorgnis von Haftungsrisiken, z.B. durch Selbstkontraktion des Verfügungsklägers sei die Verfügungsbeklagte auf geeignete organisatorische Maßnahmen zu verweisen, etwa eine Modifikation des Zuständigkeitsbereichs des Verfügungsklägers, wie es bei der Betreuung von Privatkonten von Bankmitarbeitern ohnehin üblich sei.
Im Hinblick auf die zeitliche Inanspruchnahme des Verfügungsklägers hat das Gericht betont, dass aus dem Nachlasswert nicht auf den für die Abwicklung erforderlichen Zeitaufwand geschlossen werden könne.
Zu einer möglichen Gefährdung der Reputation der Verfügungsbeklagten sei zu bemerken, dass diese bei einer einmaligen Tätigkeit als Testamentsvollstrecker nicht angenommen werden könne.
Damit sei der Verfügungsanspruch gegeben.
Das Gericht hat auch den Verfügungsgrund bereits mit dem Argument bejaht, dass für jeden Tag einer rechtlichen Hinderung des Verfügungsklägers an der Ausübung seiner Nebentätigkeit diesem ein Schaden entstünde. Erschwerend trete noch die begrenzte, für die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes zur Verfügung stehende Frist hinzu. Da die Hauptsache im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vorweggenommen werden dürfe, werde die Entscheidung nur befristet erteilt, für die Frist sei die voraussichtliche Dauer des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens maßgebend.

C. Kontext der Entscheidung

Bei Gerichtsentscheidungen über die zulässige Ausübung von Nebentätigkeiten handelt es sich um Einzelfallrecht. Obwohl über den Grundsatz des Regel-Ausnahme-Verhältnisses, hier als Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt bei überwiegendem Interesse, kein Streit besteht (Preis in: ErfK-Arbeitsrecht, § 611 BGB Rn. 725), bedarf die Rechtsanwendung einer Interessenabwägung, die im Einzelfall, je nach Branche, Position des Arbeitnehmers, maßgeblichen vertraglichen, insbesondere tarifvertraglichen Regelungen, sehr unterschiedlich ausfallen kann. Das hat auch zur Folge, dass Entscheidungen zu diesem Komplex durch Grundsatzrevisionen ausgesprochen selten sind. Die Betonung der hier nur einmalig beabsichtigten Ausübung ist im vorliegenden Fall nur im Hinblick auf die Abgrenzung zur Entscheidung des LArbG Mainz (Urt. v. 18.08.2005 – 4 Sa 553/05) berechtigt. Ein „böser Schein“ kann nämlich durch ein einmaliges Vorkommnis genauso erweckt werden, wie durch wiederholte Verhaltensweisen von Mitarbeitern. Relevant dürfte vielmehr in dem in Rheinland-Pfalz ergangenen Judikat gewesen sein, dass es sich bei der dort betroffenen Klägerin um eine Sparkassenangestellte gehandelt hat, für die der TVÖD Anwendung fand. Die dort maßgeblichen Tarifnormen tragen einem besonderen Schutz des Vertrauens in die Lauterkeit und Unparteilichkeit des Öffentlichen Dienstes Rechnung und spiegeln den Umstand wieder, dass eine Sparkasse nicht nur Kreditinstitut i.S.d. KWG, sondern auch Körperschaft des Öffentlichen Rechts ist, die kraft ihres gesetzlichen, im öffentlichen Interesse liegenden Auftrages – anders als Privatbanken – an Grundrechte, insbesondere an den Gleichheitsgrundsatz gebunden ist. Daher ist der Interessenkonflikt dort nicht im Sinne eines Vorrangs von Art. 12 GG, sondern nach dem Modell praktischer Konkordanz kollidierender Grundrechte zu lösen.
Vollumfängliche Zustimmung verdienen die Ausführungen des Gerichts zum Streit um die zeitliche Beanspruchung des Arbeitnehmers durch die Nebentätigkeit. Ob Vorgaben des ArbZG die Untersagung einer Nebentätigkeit tragen können, ist ohnehin umstritten und dürfte allenfalls dann zu bejahen sein, wenn gewerberechtlich, wie etwa nach der LenkzeitVO, bestimmte Ruhepausen vor Aufnahme der Arbeit vorgeschrieben sind. Aus der Anwaltstätigkeit dürfte hinreichend bekannt sein, dass der Gegenstandswert nichts über den zur Mandatsbearbeitung erforderlichen Zeitaufwand aussagt. An dieser Stelle könnte man auch daran denken, dass, wenn der Verfügungskläger von der ehemaligen Kundin zum Alleinerben eingesetzt worden wäre, diese zeitliche Beanspruchung, die angeblichen Interessenkonflikte und die befürchteten Zweifel an der Reputation der Bank genauso aufgetreten wären, ohne, dass sie als Arbeitgeberin dagegen auch nur irgendwie hätte einschreiten oder dies hätte verhindern können, da selbst vor dem Hintergrund des Korruptionsschutzes eine Verpflichtung zur Ausschlagung einer Erbschaft nur schwer vorstellbar ist und eine auch erbrechtlich wirksame Verbotsnorm nur in Gestalt von § 14 HeimG existiert (Karl in: Dickmann, Heimrecht, 11. Aufl. 2014, D III, Rn. 6). Vor diesem Hintergrund dürfte auch das im vorliegenden Fall arbeitsvertraglich vorgesehene pauschale Recht zur Untersagung jeder unentgeltlichen Nebentätigkeit nach den §§ 307, 310 BGB unzulässig sein, denn zumindest die Verwaltung eigenen Vermögens, künstlerische, wissenschaftliche und publizistische Aktivitäten müssen genehmigungs- und meldefrei zulässig sein. Ihre Ausübung geht, für sich allein genommen, den Arbeitgeber nicht einmal etwas an.
Der hinter dem Fall stehende wirtschaftliche Konflikt dürfte hingegen wohl darin liegen, dass der Verfügungskläger mit der Übernahme des Amtes des Testamentsvollstreckers in Wettbewerb mit seiner eigenen Arbeitgeberin getreten ist, zudem vor einer Lebensphase, die ihn schon in wenigen Jahren von seinem Arbeitsverhältnis völlig unabhängig machen wird. Es handelt sich beim Testamentsvollstrecker wie beim Vormund, rechtlichen Betreuer, Nachlassverwalter, Insolvenzverwalter, Nachlass- und Abwesenheitspfleger etc. um eine entgeltliche vermögensverwaltende Tätigkeit, mit der sowohl Institutionen als auch Einzelpersonen betraut werden können (Heilmann in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 2197 BGB Rn. 5) und mit deren Ausübung, wie sich bereits am Beispiel der rechtlichen Betreuung gezeigt hat, besondere arbeitsrechtliche Probleme und Haftungskonstellationen verbunden sein können (Geiger, FamRZ 2015, 14). Die meisten im Privatkundengeschäft tätigen Privatbanken sind lebhaft an den sehr lukrativen Testamentsvollstreckermandaten aus dem Kreis ihrer Kunden interessiert und bemühen sich intensiv darum, möchten dies aber nicht gerne öffentlich kommunizieren. Das wird auch daran deutlich, dass der Erlaubnistatbestand in § 5 Abs. 2 Nr. 1 RDG wesentlich auf Initiative und Betreiben der Kreditwirtschaft zurückzuführen ist (Deckenbrock, Henssler, RDG, 4. Aufl. 2015, § 5 RDG Rn. 140). Dies dürfte aber erklären, warum im vorliegenden Verfahren alle möglichen Vorwände bemüht worden sind, die, wie das Gericht wohl auch zutreffend erkannt hat, konstruiert wirken.

D. Auswirkungen für die Praxis

Für die kautelarjuristische arbeitsvertragliche Praxis ist es wichtig, bei der Klausel zur Zulässigkeit von Nebentätigkeiten sich auf das Einwilligungserfordernis, den dokumentierten Antrag und im Übrigen auf die deklaratorische Wiedergabe des oben genannten Grundsatzes der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt zu beschränken. Weitere Einschränkungen müssen konkret branchen-, arbeitsplatz-, oder positionsbezogen begründet sein. Bei Arbeitnehmern in Teilzeit, insbesondere mit niedrigen Vergütungen, wird man wesentlich zurückhaltender sein müssen als bei Arbeitnehmern in Vollzeit, da durch eine restriktive Praxis rasch das Existenzminimum gefährdet wird. Bei unentgeltlichen Tätigkeiten wird sich eine Untersagungsmöglichkeit ohnehin kaum gerichtsfest und praktikabel formulieren lassen. Bei privaten, gegen Entgelt ausgeübten Ämtern, wie den oben genannten, dürfte eine Untersagung nur in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer damit in Wettbewerb zu seinem Arbeitgeber tritt und der Arbeitgeber sich auch zu seiner Tätigkeit auf diesem Markt bekennt.
Für die Arbeitnehmerseite ist es bei der Beratung wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Arbeitnehmer in jedem Fall rechtzeitig vor beabsichtigter Aufnahme seiner Tätigkeit einen beweisbar zugegangenen dokumentierten Antrag bei seinem Arbeitgeber stellt und vorher keine vertraglichen Bindungen zum Nebenauftraggeber bzw. -arbeitgeber eingeht, bzw. diese unter Rücktritts- oder Kündigungsvorbehalt stellt. Von entscheidender Bedeutung, auch für die Anwaltshaftung, ist die Möglichkeit, bei ausbleibender oder zu Unrecht verweigerter Gestattung, ein einstweiliges Verfügungsverfahren einzuleiten, zum anderen aber auch die Notwendigkeit, dieses zeitlich zu befristen. Bedacht werden muss ggf. auch die Notwendigkeit einer gewissen Überzeugungsarbeit beim Rechtsschutzversicherer, für die aber diese Entscheidung eine willkommene Unterstützung sein kann.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Ein kritischer Punkt ist der Antragsinhalt. Bei der vorherigen Zustimmung zur Aufnahme der Nebentätigkeit (Einwilligung) handelt es sich, wie das Gericht zu Recht ausgeführt hat, um eine Willenserklärung, die einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz nicht zugänglich ist. Der Antrag ist demnach auf „vorläufige Gestattung, begrenzt auf einen Zeitraum von … Monaten“, zu richten, so dass das Rechtsschutzziel einer Regelungsverfügung i.S.v. § 935 ZPO deutlich zum Ausdruck kommt. Die Einordnung eines solchen Entscheidungstenors, wie ihn das Gericht gewählt hat, in das überkommene System der Klagearten, fällt aber schwer. Entfernt erinnert der Verfügungsinhalt an ein in seiner Wirksamkeit auf einen begrenzten Zeitraum beschränktes Gestaltungsurteil, durch das nicht die Zustimmung des Arbeitgebers fingiert, sondern der Inhalt des Arbeitsvertrages entsprechend von Gerichts wegen modifiziert wird.