Nachfolgend ein Beitrag vom 19.12.2017 von Herberger, jurisPR-FamR 25/2017 Anm. 1
Orientierungssätze
1. Besteht das Nottestament nur aus einer Verfügung zugunsten der Mutter eines Zeugen, ist dieser als beurkundender Zeuge gemäß § 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB, §§ 7 Nr. 3, 27 BeurkG ausgeschlossen.
2. Wer nur zufällig anwesend ist und die Erklärung des Erblassers lediglich mit anhört, ist nicht Testamentszeuge (vgl. u.a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.06.2015 – 3 Wx 224/14).
3. Als Beurkundungsperson eines in deutscher Sprache verfassten Testaments kommt eine Zeuge, der der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig ist/war, nicht in Betracht.
Orientierungssatz zur Anmerkung
Tauglicher Zeuge für ein Nottestament kann nur sein, wer Beurkundungsfunktion übernimmt.
A. Problemstellung
Häufig sind Nottestamente unwirksam, weil der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung nicht in einer nahen Todesgefahr stand. In solchen Fällen ist noch ausreichend Zeit, um ein Testament vor einem Notar oder einem Bürgermeister zu errichten (§ 2249 BGB). Im vorliegenden Fall konnte das OLG Köln die Frage offenlassen, ob sich der Erblasser in naher Todesgefahr befand. Es fehlte nämlich an drei Zeugen zur Übernahme der Beurkundungsfunktion.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Erblasser war geschieden und hatte keine Kinder. Seine Eltern und seine drei Brüder sind bereits verstorben. Noch bevor der Erblasser am Samstag, den 10.10.2015 gegen 21.20 Uhr verstarb, hat er am selben Tage zwischen 17 und 18 Uhr ein Nottestament vor drei Zeugen (Sohn seiner Lebensgefährtin, T, L2) errichtet. Danach sollte ihn seine Lebensgefährtin beerben.
Das Nachlassgericht hat den Antrag der Lebensgefährtin auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Nachlassgericht aus, dass einer der Zeugen der Sohn der Lebensgefährtin des Erblassers gewesen sei, der nach § 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB i.V.m. § 7 Nr. 3 BeurkG als Beurkundungsperson ausscheide. Daraufhin trug die Lebensgefährtin vor, dass mit S eine weitere Person bei der Errichtung des Nottestaments zugegen war. Diese könne die Erklärung des Erblassers und den Vorgang der Testamentserrichtung bestätigen. Auf den Hinweis des Nachlassgerichts, dass die Anwesenheit und Bestätigung des Vorgangs durch eine weitere Zeugin nicht ausreiche, ergänzte die Lebensgefährtin ihren Vortrag. Die Zeugin S sei sich ihrer Beurkundungsfunktion bewusst gewesen. Das Nachlassgericht sah diese Funktion aufgrund der Urkundenlage und des sukzessiven Vortrages der Lebensgefährtin als nicht gegeben an und lehnte deswegen die Erteilung des Erbscheins ab. Der dagegen gerichteten Beschwerde der Lebensgefährtin hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das OLG Köln hat die Beschwerde zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die zulässige Beschwerde unbegründet. Das Nachlassgericht habe den Antrag der Lebensgefährtin auf Erteilung eines Alleinerbscheins zu Recht zurückgewiesen, weil das Testament vom 10.10.2015 nicht wirksam errichtet worden sei.
Es könne offenbleiben, ob sich der Erblasser in so naher Todesgefahr befunden habe, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar oder einem Bürgermeister voraussichtlich nicht mehr möglich gewesen sei. Unerheblich sei auch, ob der Erblasser vor den Zeugen mündlich tatsächlich erklärt habe, dass seine Lebensgefährtin ihn beerben solle. Denn das Nottestament sei formunwirksam.
Der Sohn der Lebensgefährtin käme als Beurkundungsperson nicht in Betracht (§ 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB i.V.m. den §§ 7 Nr. 3, 27 BeurkG). Es handele sich insofern nicht nur um einen unbeachtlichen Formmangel i.S.d. §§ 2250 Abs. 3, 2249 Abs. 6 BGB.
Die Zeugin S sei ebenfalls keine taugliche Testamentszeugin. Bei einem Nottestament vor drei Zeugen nach § 2250 BGB übernähmen die Testamentszeugen die Beurkundungsfunktion, weil eine amtliche Urkundsperson fehle. Erforderlich sei, dass die Zeugen sich als solche von Beginn an zur Mitwirkung bereit erklärten. Als Zeuge käme nicht in Betracht, wer nur zufällig anwesend sei und die Erklärung des Erblassers nur mit anhöre. Der Sohn der Lebensgefährtin und die beiden anderen Zeugen trugen übereinstimmend vor, dass der Erblasser ihnen erklärt habe, es seien drei Zeugen für die Errichtung des Testaments erforderlich. Deshalb ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts anzunehmen, dass an der Errichtung des Testaments nur drei Zeugen mitwirken sollten, nämlich der Sohn der Lebensgefährtin, T und L2, also S gerade nicht. Entscheidend gegen die Übernahme einer Beurkundungsfunktion durch S spreche letztlich, dass sie der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war. Nach § 2250 Abs. 3 Satz 4 HS. 1 BGB müssten die Zeugen der Sprache der Niederschrift aber hinreichend kundig sein. Deshalb könne es offenbleiben, ob die beiden anderen Zeuginnen T und L2 als Testamentszeuginnen in Betracht gekommen seien. Ein Zweizeugentestament kenne das deutsche Recht nicht.
Dass der Erblasser wahrscheinlich mündlich tatsächlich erklärte, dass seine Lebensgefährtin ihn beerben solle, ändere an der Beurteilung nichts. Der an das Gesetz gebundene Richter habe keine Möglichkeit zur Abhilfe, wenn wesentlichen Vorschriften nicht Genüge getan werde. Bei der Mitwirkung von drei Zeugen gehe es um ein wesentliches Erfordernis. Es handele sich nicht bloß um einen unschädlichen Mangel der Abfassung der Urkunde i.S.d. § 2249 Abs. 6 BGB.
C. Kontext der Entscheidung
Betrachtet man die zu Nottestamenten veröffentlichte Rechtsprechung, so fällt auf, dass vor allem zwei Problemkreise thematisiert werden:
Es geht immer wieder um die Frage, ob sich der Erblasser tatsächlich in naher Todesgefahr befunden hat. Dazu muss eine nahe Todesgefahr entweder objektiv vorliegen oder nach der Überzeugung aller drei Testamentszeugen subjektiv bestehen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.03.2017 – I-3 Wx 269/16; OLG Hamm, Beschl. v. 10.02.2017 – I-15 W 587/15; OLG Bremen, Beschl. v. 05.01.2016 – 5 W 25/15). Diese Frage konnte das OLG Köln offenlassen, weil jedenfalls nicht drei taugliche Testamentszeugen bei der Errichtung des Testaments zugegen waren. Dabei handelt es sich um das zweite Problemfeld (KG, Beschl. v. 29.12.2015 – 6 W 93/15; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.06.2015 – I-3 Wx 224/14). Testamentszeuge kann nur sein, wer eine Beurkundungsfunktion übernimmt.
D. Auswirkungen für die Praxis
Juristische Laien schätzen die Anforderungen an ein wirksames Nottestament oft falsch ein. Ein Nottestament ist auf außerordentliche Notfälle beschränkt. Deshalb ist Mandanten, die mit dem Gedanken spielen, sich auf ein Nottestament zu verlassen, davon abzuraten. Es besteht die Gefahr, dass das Nottestament unwirksam ist und deshalb ihr letzter Wille unberücksichtigt bleibt.
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