OLG München, Urteil vom 17. Februar 2016 – 20 U 126/15 –, Rn. 16, juris

Aus den Gründen

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Teilurteil des Landgerichts war aufzuheben und die Beklagte zur Abgabe der beantragten eidesstattlichen Versicherung zu verurteilen.

1. Ein Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 2057 S. 2 BGB iVm § 260 BGB setzt voraus, dass Grund zu der Annahme besteht, dass die von der – neben dem Kläger zur Miterbin zu gleichen Teilen eingesetzten und damit gemäß § 2052 2. Alt. BGB ausgleichspflichtigen – Beklagten vorgelegte Auskunft unvollständig ist und dass dies auf mangelnder Sorgfalt der Verpflichteten beruht. Unvollständigkeit und mangelnde Sorgfalt müssen dabei nicht feststehen, ein auf Tatsachen gegründeter Verdacht reicht aus. Dieser kann sich aus der Auskunft selbst ergeben, aber auch auf anderen Umständen beruhen, z.B. auf einer früheren Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit von Informationen der Verpflichteten oder auf einer mehrfach berichtigten Auskunft (vgl. zu Vorstehendem MünchKomm BGB, § 259 Rn. 38 mwN). Maßgebend für die Beurteilung, ob die erforderliche Sorgfalt eingehalten wurde, ist das Gesamtverhalten des Schuldners; Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten begründen keine fehlende Sorgfalt, sofern sie auf entschuldbarer Unkenntnis oder einem unverschuldeten Irrtum beruhen; anders ist es aber, wenn sie bei gehöriger Sorgfalt vermeidbar gewesen wären (BeckOK BGB, § 259 Rn. 26 mwN).

2. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände besteht im hier zu entscheidenden Fall ein Anspruch des Klägers auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zur Erhärtung (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1984, X ZR 34/83, juris Rn. 19) der Angaben der Beklagten.

a) Dabei ist zu bedenken, dass Auskunft über alle potentiell ausgleichungspflichtigen Zuwendungen zu erteilen ist, nicht nur über solche, die unbestreitbar ausgleichungspflichtig sind (MünchKomm BGB, § 2057 Rn. 5). Entsprechend ist der Umfang der Auskunftspflicht nicht von der subjektiven Einschätzung des jeweils Pflichtigen abhängig, sondern so zu bemessen, dass das zuständige Gericht einschätzen kann, welche offenbarten Zuwendungen ausgleichungspflichtig sind (MünchKomm BGB, § 2057 Rn. 5 mwN; Palandt, BGB, § 2057 Rn. 1 mwN).

b) Vorliegend besteht sowohl nach dem Inhalt der Auskunft als auch nach dem Auskunftsverhalten der Beklagten Grund zu der Annahme, dass die von ihr erteilte Auskunft unvollständig ist.

Zwar hat die Beklagte in der Berufungsinstanz die ihre Konten betreffenden Kontoauszüge ab dem Jahr 2003 von einem Steuerberater überprüfen lassen, der die Kontobewegungen nachvollzogen und insoweit keine Zuwendungen des Erblassers erkannt hat, sondern die in erheblicher Höhe stattgehabten Zuflüsse mit der Auflösung von Finanzanlagen erklären konnte. Mit welchen Mitteln die Erstanlage erfolgt ist bzw. ob hier Zuwendungen des Erblassers stattgefunden haben, bleibt allerdings nach wie vor offen. Die Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2016, dass „das Vermögen der Beklagten … durchaus durch geschickte Geldanlagen aus ihren Einkünften zu erwirtschaften“ war, beinhaltet noch nicht einmal die Behauptung, dass dies tatsächlich der Fall war.

Hinzu kommt, dass das Auskunftsverhalten der Beklagten ebenfalls zu Zweifeln an der Vollständigkeit der Auskunft Anlass gibt. Die Beklagte hat sich zunächst auf die pauschale Behauptung, Zuwendungen seien „nicht im Ansatz erkennbar“ zurückgezogen; der Vorhalt des Klägers zur Buchung vom 26. Oktober 2004 hat jedenfalls mit Blick auf den oben dargestellten Umfang der Auskunftspflicht die Unrichtigkeit dieser Angabe erwiesen. Zuwendungen des Erblassers vor dem Jahr 2003 hat die Beklagte – obwohl sie unstreitig vor Rechtshängigkeit der Klage angegeben hatte, alle Kinder hätten Zuwendungen in gleicher Höhe erhalten – bestritten.

c) Auch besteht der Verdacht mangelnder Sorgfalt der Beklagten bei der Auskunftserteilung. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Beklagte, die vorträgt, sich nie um ihre Geldanlagen gekümmert zu haben, den Kläger letzthin nur nach Maßgabe ihres eigenen Wissensstandes unterrichten kann. Sie hat sich hierzu allerdings anhand sämtlicher erreichbarer Erkenntnisquellen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit eigenes Wissen zu verschaffen und solches – notfalls mit Unterstützung durch Hilfspersonen – zu vervollständigen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 1988, IVa ZR 57/87, juris Rn. 9 mwN). Dies aber hat sie jedenfalls für die Zeit vor dem Jahr 2003 nicht getan. Zwar waren insoweit Kontoauszüge bei den betroffenen Banken nicht mehr zu erlangen. Insoweit wäre der Beklagten allerdings grundsätzlich zumutbar gewesen, die Daten und Beträge der Erstanlagen zu eruieren und zu ihren Einkünften in Bezug zu setzen und mitzuteilen, ob und welche näheren Angaben der Erblasser ihr oder Dritten gegenüber zu Zuflüssen bei der Beklagten gemacht hat, als er gleichmäßige Zuwendungen an seine Kinder behauptet hat. Dies hat die Beklagte nicht getan, obwohl ihr spätestens nach den Hinweisen des Senats bekannt war, dass ihr mangelnde Sorgfalt bei der Auskunftserteilung vorgeworfen wurde.

Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 2057 S. 2 BGB
Birgit OehlmannRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Erbrecht
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