OLG Köln, Urteil vom 05. Februar 2015 – I-7 U 115/14, 7 U 115/14 –, juris
Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Streit der Parteien liegt das wechselseitige, privatschriftliche Ehegattentestament vom 10.08.1994 des am 17.10.2010 in B verstorbenen H und der Beklagten zugrunde.
Festzuhalten ist, dass sich durch dieses Testament die Eheleute wechselseitig im Wege der Vollerbfolge eingesetzt, also nicht die sogenannte Trennungslösung gewählt haben (vgl. Palandt BGB 74. Aufl. 2015 Bearbeiter Weidlich § 2269 Rdnr. 2). Dieses Verständnis findet in der Wiederverheiratungsklausel seine Stütze, in der die Rede davon ist, dass der „gesamte“ Nachlass im Falle der Wiederheirat (nur) an die Kinder vererbt werden kann. Im Berufungsrechtszug geht des weiteren jetzt auch die Klägerin, wie schon immer die Beklagte, davon aus, dass eine Erbeinsetzung der Kinder im Wege der Schlusserbfolge als Ersatzerben für den Fall des Vorversterbens testiert war. Bezogen auf die Pflichtteilsstrafklausel ist das nunmehrige übereinstimmende Verständnis zur Schlusserbeneinsetzung der Kinder auch naheliegender. Zwar ist zu konstatieren, dass eine ausdrückliche Einsetzung der Kinder als Schlusserben im Testament fehlt. Wohl ist im Testament nicht nur eine Wiederverheiratungsklausel (vgl. Palandt aaO § 2269 Rdnr. 16), sondern eine Pflichtteilsstrafklausel formuliert. Eine solche gegen die pflichtteilsberechtigten gemeinschaftlichen Kinder gerichtete Sanktionsklausel kann nach den Umständen bei fehlender ausdrücklicher Formulierung im Übrigen als bindende Schlusserbeneinsetzung auszulegen sein (vgl. etwa OLG Düsseldorf Beschluss vom 14.01.2014 3 WX 64/13 zitiert nach juris Rdnr. 25). Letztlich ist dies für die hier entscheidende Rechtsfrage ohne Belang. Denn auch im Falle fehlender Schlusserbeneinsetzung kann ausgehend vom unstrittigen Verständnis, wonach wechselseitig zwischen den testierenden Eheleuten nur eine wechselseitige Vollerbfolge gewollt gewesen ist, die Wiederverheiratung nur als auflösende Bedingung der Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten verbunden mit seiner aufschiebend bedingten Vorerbschaft bzw. mit der aufschiebend bedingten Nacherbenschaft der Kinder (so BGHZ 96, 198 ff.) gemeint gewesen sein.
Gemäß § 2303 Abs. 1 BGB ist aber ein Pflichtteilsanspruch, den die Klägerin hier im Wege der Stufenklage geltend gemacht hat, nur dann gegeben, wenn der Abkömmling von der Erbfolge ausgeschlossen ist.
Im Rahmen des hier im Wege der Stufenklage geltend gemachten Auskunftsanspruchs gemäß § 2314 BGB besteht allerdings die Besonderheit, dass es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausschließlich auf die grundsätzliche Pflichtteilsberechtigung ankommt, nicht aber auf einen Pflichtteilsanspruch (vgl. so schon BGH Urteil vom 01.10.1958 – V ZR 53/58 – NJW 1958,1964 ff). Voraussetzung eines Auskunftsanspruches gemäß § 2314 BGB ist jedoch, dass der Auskunftssuchende nicht „Erbe“ ist. Grundsätzlich ist der Nacherbe Erbe im Sinne des § 2314 BGB, das heißt, er hat keinen Auskunftsanspruch, und zwar auch dann nicht, wenn seine Nacherbenstellung auflösend bedingt ist (vgl. BGH Urteil vom 04.12.1980 IVa ZR 46/80). Für den Fall einer aufschiebend bedingten Nacherbenschaft besteht aber die Besonderheit, dass strittig ist, ob der aufschiebend bedingte Nacherbe infolge der Beschränkung durch die Bedingung den Pflichtteilsanspruch ohne Weiteres geltend machen darf (so u.a.: Palandt/Weilich aaO. § 2306 Rn. 4; Erman BGB 14. Aufl. 2014, Bearbeiter A.Röthel § 2306 Rdnr. 6; Bamberger/Roth BGB, 3. Aufl. 2012, Bearbeiter J.Mayer § 2306 Rdnr. 13; BGB-RGRK, 12. Aufl. 1975, Bearbeiter Johannsen, § 2306 Rn. 9; Münchener Kommentar BGB, 3. Auf. 1997, Bearbeiter Frank § 2306 Rdnr. 7; Schlitt NJW 1992, 28ff, 29; Lange/Kuchinke Erbrecht, 5. Aufl. 2001, § 37 Fn. 84; Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl, 2013, Bearbeiter J.Mayer § 3 Rn. 46 ; auch Bestelmeyer Rpfleger 2007, 1 ff.) oder ob es auch hier im Hinblick auf § 2306 Abs. 2 BGB der Ausschlagung des bedingten Nacherbes bedarf, um Pflichtteilsansprüche geltend zu machen (so z.B. Staudinger BGB, Neubearbeitung 2006, Bearbeiter Ulrich Haas, § 2306 Rn. 17 ff.; Münchner Kommentar BGB, 6. Aufl.2013, Bearbeiter Lange § 2318 Rn. 10 unter Aufgabe der von Frank in der 3. Aufl. vertretenen gegenteiligen Ansicht; Soergel BGB, 13. Aufl. 2002, Bearbeiter Dieckmann § 2306 Rdnr. 6; Burandt/Rojahn Erbrecht, 2. Aufl. 2014 § 2306 BGB Rdnr. 25; Damrau, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Auflage 2011, Bearbeiter Riedel, § 2306 Rn. 11). Hieraus muss jedoch nach Auffassung des Senates folgen, dass im Falle einer aufschiebend bedingten Nacherbenschaft für das Bestehen des Auskunftsanspruches auch auf die Frage abzustellen ist, ob zur Geltendmachung des Auskunftsanspruches die Ausschlagung der aufschiebend bedingten Nacherbenschaft Anspruchsvoraussetzung ist. Dies muss erst recht für den Fall gelten, in dem – wie vorliegend – der Auskunftsanspruch im Rahmen einer Stufenklage geltend gemacht wird. Denn es entspricht, worauf auch das Landgericht abstellt, allgemeiner Meinung, dass, auch wenn bei der Stufenklage grundsätzlich sukzessive über jede Stufe zu verhandeln ist, die Klage ganz, d.h. auch der noch unbezifferte Zahlungsantrag als unbegründet abgewiesen werden kann, wenn die Gründe der Unbegründetheit den Hauptanspruch erfassen (vgl. hierzu beispielsweise Thomas/Putzo ZPO 35. Aufl. 2014, Bearbeiter Reichholt § 254 Rn. 5 und 6).
Die Klägerin hat hier jedoch die angeordnete Nacherbenschaft nicht ausgeschlagen, so dass in Hinblick auf § 2306 Abs. 2 BGB die im Wege der Stufenklage geltend gemachten Pflichtteilsansprüche nicht bestehen. Maßgeblich hierfür ist, dass auf die vorliegende Fallkonstellation § 2306 Abs. 2 BGB anzuwenden ist. Der Senat teilt die vom Landgericht vertretene Rechtsansicht.